Henner:
[0:08] Erhüpft noch, der Amiga-Ball, aber das Hüpfen verlangsamt sich, bis er schließlich liegen bleibt. Denn heute sprechen wir über das Ende des Amigas, Gunnar.
Gunnar:
[0:17] Wie poetisch du das jetzt am Hüpfen festgemacht hast. Ich hoffe, jetzt spielst du nochmal den Sound des Amiga-Hüpfballs ein, verlangsamt.
Henner:
[0:26] Natürlich.
Gunnar:
[0:27] Um deutlich zu machen, dass dem jetzt die Luft ausgeht.
Henner:
[0:30] Der arme Ball und der arme Amiga, er hat das Schicksal nicht verdient,
Henner:
[0:34] das ihn da erwartet. Dabei endeten wir zuletzt ja eigentlich auf einer positiven Note. Der Amiga hat gerade sein Potenzial entfaltet mit dieser Zweiteilung, dem Amiga 500 von 1987 und dem Amiga 2000. Und die sind ja durchaus erfolgreich, anders als das Urmodell. Modell, der 500er als Heimcomputer, wenn man so will, der ultimative Heimcomputer, endlich der echte Nachfolger des C64 und vielleicht sogar die beste, zumindest leistungsfähigste Heimspiele-Plattform überhaupt. Und der Amiga 2000, der etabliert sich jetzt so langsam als Multimedia-Maschine. Das war der Tausender ja auch schon, aber der 2000er darf es jetzt auch wirklich sein. Aber wie kommt es überhaupt dazu?
Henner:
[1:20] Fangen wir mit dem 500er an. Wie wird der jetzt zur ultimativen Spieleplattform, Gunnar?
Gunnar:
[1:26] Als wir ihn verlassen haben in der letzten Folge, da fing das mit dem Verkaufserfolg schon an. Aber es gab noch keine Spiele, als der Amiga gestartet ist. Fast keine Spiele für das Gerät. 1986 fängt es dann an, dass da ein bisschen was kommt. Commodore selber ist nicht in dem Geschäft. Anders als beim C64 machen sie keine eigenen Spiele, Publischen nichts, aber die Großen kommen jetzt langsam und veröffentlichen Spiele für die Plattform EA, Sierra, Infocom sind immer dabei, auch wenn sie jetzt nicht gerade die fortschrittlichsten Spiele machen und Activision sind ab 86 dann dabei und als dann der Amiga 500 kommt.
Gunnar:
[2:06] Dann explodiert das Angebot. Und im Jahr 1988 ist der Amiga dann auch führend in dieser Hinsicht gegen den großen Rivalen Atari ST, der einen Startvorteil hatte bei den Spielen.
Gunnar:
[2:18] Und das führt dann sogar dazu, dass spezielle Magazine erscheinen.
Gunnar:
[2:22] 1989 gibt es die berühmte Amiga Joker aus Deutschland. Das ist eins der ersten Amiga-Spiele-Magazine, das nur über Amiga-Spiele berichtet. Es scheint ja dann genügend Spiele gegeben zu haben, wenn es ein Magazin voll gibt. Mehr und mehr Spiele nutzen das technische Potenzial, das diese Plattform bietet.
Gunnar:
[2:39] Es wurde schon hinlänglich an anderer Stelle über Cinemaware gesprochen und Defender of the Crown, das 1986 zuerst auf dem Amiga erscheint, dort auch am besten aussieht und die Plattform adelt durch seine Anwesenheit, weil das was ist, was man rumzeigen kann. Plattformen brauchen ja immer so Vorzeigspiele, wo man dann Leute in sein Kinderzimmer oder sein Büro führt und sagt, hier guck mal, was meine Maschine kann. Und da sind Amiga-Besitzer ab 1986 dabei, indem sie Defender of the Crown vorzeigen
Gunnar:
[3:07] können. Es gibt auch noch andere frühe Vorzeigetitel, die nicht ganz so berühmt sind wie das. Es gibt das schöne Rollenspiel The Fairytale Adventure von 1987,
Gunnar:
[3:16] sehr schönes Spiel, und die Amiga-exklusive 3D-Flugsimulation FA-18 Interceptor von 88. Die habe ich nicht gespielt, muss ich sagen. Aber von unseren Interviewpartnern Joe DeCure und RJ Michael, die haben das unisono als ihr Lieblingsspiel bezeichnet. Und auch Jay Miner, diese entscheidende Figur für den Amiga, der hat das mal früher in einem Interview als sein Lieblingsspiel genannt. Insofern ist das halt hochgeadelt.
Gunnar:
[3:43] Zur Einordnung der Plattform hat dir Andrew Braybrook im Gespräch erzählt, dass für ihn damals der Amiga primär eine Spielemaschine war. Und der Atari ST war für ihn wie ein Amiga, aber ohne Spielzeuge und der PC war nur eine Maschine, um Texte zu schreiben. Aber der Amiga ist ja mehr als eine reine Spieleplattform, er ist ja vor allen Dingen auch eine Multimedia-Maschine.
Henner:
[4:04] Ja, und eben insbesondere in seiner 2000er-Ausprägung. Ende 1985 kommt in diesem Multimedia-Kontext ein ganz entscheidendes Produkt raus. Wir haben es schon mal an anderer Stelle kurz erwähnt. Ein Malprogramm oder Zeichenprogramm Deluxe Paint von Electronic Arts, die damals noch nicht nur Spiele rausgebracht haben. Das basiert auf einem internen Entwicklungswerkzeug, das sie also für die Spieleentwicklung eigentlich benutzt haben und das wird dann ausgebaut zu einem kommerziellen Produkt und infolgedessen auch deutlich populärer als Commodores eigenes Programm. Die haben nämlich auch ein Malprogramm im Sortiment, das ist das, das Warhol bei der Präsentation in New York 85 benutzt hat, Graphicraft. Das ist extern entwickelt, aber von Commodore selbst vertrieben, aber das verblasst gegenüber Deluxe Paint. Die Computerzeitschrift schreibt im April 86, Deluxe Paint enthalte praktisch alles, was sich jemals irgendwer für ein Computergrafikprogramm wünschen kann. Wenn man es dann mal ausprobiert, wird man überrascht sein, was ihm doch noch alles fehlt. Aber gut, es entwickelt sich damals sehr schnell zum Standard, auch in der Spieleentwicklung wieder und in der Demoszene, die auf dem Amiga sehr aktiv ist.
Henner:
[5:15] Zumal mit Version 3 ab 1989 eine wesentliche Funktion hinzukommt, nämlich die Unterstützung für Animationen. Und damit kann man ja in gewisser Weise kleine Zeichentrickfilme erstellen.
Henner:
[5:26] 1986 kommt noch eine weitere wichtige Multimedia-Anwendung, Digiview von einer Firma namens NewTek. Das ist ein Bündel aus Software und Bildscanner und das erlaubt im Zusammenspiel erstmals die Digitalisierung von Fotos, also von analogen Papierfotos, wie es sie damals noch gab. Die holt man auf die Weise mitgebracht. Mit dieser Apparatur und der Software in den Rechner rein und kann sie dann weiter bearbeiten, so wie Warhol. Und das ist ein ganz wesentlicher Brückenschlag zwischen der physischen Welt und der digitalen Welt. Da beginnt eigentlich das Zeitalter der Digitalfotografie, auch ohne Digitalkamera.
Henner:
[6:03] NewTek macht noch weiter von sich reden.
Henner:
[6:06] 1990 veröffentlichen sie ein weiteres revolutionäres Produkt, den Videotoaster für den Amiga 2000. Das ist wieder eine Kombination aus Hardware und Software. im Bündel und die ermöglicht es jetzt, Videos von externen Quellen zu verarbeiten. Wir erinnern uns, das ist möglich wegen der Gen-Lock-Fähigkeit des Amigas. Das heißt, man kann Videos, die extern zugespielt werden von der Kamera oder von einem Videorekorder oder so, abmischen. Man kann sie mit digitalen Effekten versehen und das alles viel günstiger als üblich zu dieser Zeit mit teuren Spezialgeräten. Der Toaster kann zum Beispiel, um mal einen Anwendungsfall zu skizzieren, bestimmte Farben im Videosignal durch andere oder bestimmte andere Inhalte ersetzen. Zum Beispiel, wenn man einen Blue Screen beim Filmen eingesetzt hat. Also alles, was blau ist im Bild, durch etwas anderes ersetzen. Oder Animationen einfügen, Texte ins Programm einblenden, auch ins laufende Programm zum Beispiel Zwischenstände bei Sportübertragungen. Für all diese Dinge wird der Videotoaster und damit auch der Amiga in den folgenden Jahren benutzt und auch sehr lange benutzt.
Henner:
[7:10] Das sind alles Killer-Applikationen, nur für einen kleinen Kundenkreis, aber sie sorgen dafür, dass sich der Amiga also unter den Kreativschaffenden als unverzichtbar, zumindest für einige Jahre, etabliert.
Henner:
[7:22] Es gibt weitere, denn ein Bestandteil dieser Toaster-Suite, der erweist sich als besonders populär, da liegt nämlich ein 3D-Rendering-Programm bei namens Lightwave 3D. Und das wird dann so populär, dass es auch ausgekoppelt wird als eigenständiges Produkt. Das kommt dann auch in professionellen Fernsehproduktionen zum Einsatz,
Henner:
[7:40] zum Beispiel in Babylon 5. Die sind nicht gut gealtert, die Effekte, aber damals war es revolutionär, dass all das am Computer entstand.
Gunnar:
[7:48] Das habe ich gerade noch mal gesehen, die erste Staffel. Und ich hatte, wäre Wunder, was in Erinnerung. Aber das ist ja wirklich krass, sehr undetailliert, die Animationen. Das sieht heutzutage ganz schön scheiße aus.
Henner:
[7:59] Ja, das reißt ein bisschen raus aus der Immersion. Da wähnt man sich eher in einem Computerspiel als in einer Fernsehserie. Das stimmt, aber damals war das, zumindest revolutionär, dass sowas überhaupt möglich war an einem so günstigen Computer. Und Lightwave gibt es ja immer noch, allerdings ist es heute natürlich nur Windows- oder macOS-Programm.
Henner:
[8:17] Und eine weitere Multimedia-Anwendung, die so eine Art Killer-Applikation ist, will ich auch noch nennen, Scala, das kam 1988 raus und das ermöglichte das Einfügen von Titeln und kunstvollen Übergängen in Videos und wurde dann mit der Zeit immer mächtiger und wuchs heran zu so einem Multimedia-Authoring-System für die Erstellung von interaktiven Präsentationen. Und auch Scala gibt es immer noch. Das hat also alles seinen Ursprung auf dem Amiga. Auch den Toaster gibt es noch, aber nicht mehr als Amiga-Zubehör und unter anderem Namen. Aber das ist noch nicht ganz am Ende dieser Zweig.
Gunnar:
[8:53] Nee, das hat ja diesen Zweig aufgemacht, der Amiga mit diesen Programmen. Deswegen haben die ja auch überdauert, weil das halt so einen Aufschlag getan hat, gerade mit solchen Sachen wie dem Videotoaster.
Gunnar:
[9:04] Naja, dank der Spiele, die jetzt mehr kommen und der eben genannten Multimedia-Anwendungen, jetzt entwickelt sich das Amiga-Gespann langsam zu einem Erfolg. Und mit diesem Erfolg hebt es Commodore aus der Krise. Im Geschäftsjahr 86 macht das Unternehmen enorme 128 Millionen Dollar Verlust. Und schon im Jahr darauf, 1987, ist das gedreht und sie sind bei einem Gewinn von 28 Millionen. Zu der Zeit macht Commodore noch etwa 70 Prozent seines Umsatzes mit dem alternden C64, aber schon 88 liegt der Amiga gleich auf und 89 liegt er vorn. Wie das halt immer so ist bei solchen Firmen, ab jetzt ist Commodore vom Amiga abhängig. Und das liegt hauptsächlich an dem Einstiegsmodell, dem 500er, der sich vor allen Dingen in Europa blendend verkauft. Vor allen Dingen auch in England und in Deutschland.
Gunnar:
[10:00] Du hast mit Petro Tyschtschenko gesprochen, der war seit 1982 bei Commodore Deutschland und war zwischenzeitlich verantwortlich für die internationale Logistik, also auch über Deutschland hinaus hat er gearbeitet bei Commodore und der hat sich folgendermaßen an diese Hochphase erinnert. Wir haben damals auch die Computer eigentlich gar nicht verkauft, sondern wir haben sie verteilt.
Henner:
[10:31] Kriegst du oder 1.000 oder und so weiter. Gerade im Weihnachtsgeschäft. Wow, das ist ein Luxusproblem, würde ich sagen.
Gunnar:
[10:40] Ja, genau. Da ging es dann schon nur darum, dass halt alle, die welche haben wollten, auch welche gekriegt haben. Da musste man nicht so viel hinterher sitzen, dass da überhaupt was abgenommen wurde.
Gunnar:
[10:49] Und der Erfolg, der hält auch noch an. Die Nachfrage nach dem Amiga 500 wächst weiterhin dramatisch, so schreibt es jedenfalls der Jahresbericht von 1990. Da hat man eine halbe Million von den Amigas 500 verkauft und auch 91 ist der wiederum gestiegene Gewinn vor allen Dingen zurückzuführen auf den Amiga 500. In der Zeit werden auch die osteuropäischen Märkte geöffnet, da kommt dann also auch noch was dazu. Aber ja, der Amiga 500 im Jahr 1991, der ist ja zu der Zeit bereits vier Jahre alt und die Technik, auf der er basiert, ist ja schon sechs Jahre alt. Das ist ja nicht das erste Amiga-Modell. Die Frage sei erlaubt an der Stelle, warum gibt es denn nicht längst einen Nachfolger? Die Konkurrenz schläft ja nicht.
Henner:
[11:35] So ist es. Wo bleibt der Amiga 501 oder 502 oder vielleicht 600? Naja, zu dem kommen wir noch. Aber ja, das wird ein Problem. Die Konkurrenz schläft wahrlich nicht, vor allem in dieser Zeit, später 80er, Anfang der 90er. Da passiert enorm viel auf dem Computermarkt, insbesondere beim PC, aber auch beim großen Konkurrenten, beim Atari ST. Der bleibt ja auch nicht stehen beim Urmodell von 85. Da kommen in schneller Folge weitere Modelle, zum Beispiel 86 der STF. Der hat ein eingebautes Laufwerk und ein Megabyte RAM.
Henner:
[12:05] Das hatte Amiga zu der Zeit noch nicht. 87 kommt der Mega-ST, der ist größer mit abgesetzter Tastatur, professionelles Gerät, also ein Gegner für den Amiga 2000. Hat sogar einen Blitter-Chip integriert. 89 der STE, den hatte ich damals auch, mit vergrößerter Farbpalette, auch Blitter und Genlock. Also Atari holt hier auf. Haben nicht den gleichen Erfolg, aber technisch sind sie nah dran.
Henner:
[12:28] Apple holt auch auf. 87 beheben sie endlich mal das größte Problem des Uhr-Macintoshs. Der konnte ja nur Schwarz-Weiß-Bilder darstellen. Der neue Macintosh, der Mac 2, der jetzt rauskommt, der kann Farben darstellen und nicht nur 4 oder 8, sondern der schöpft aus einer Palette von 16,7 Millionen. Das heißt, der unterstützt schon True Color, kann er nicht gleichzeitig alle anzeigen, aber immerhin.
Henner:
[12:51] Und dann ist da ja noch, wie gesagt, der große PC, also die IBM-PC-Klone, die kompatiblen. Die machen noch viel größere Fortschritte. 87 kommt von IBM die PS2-Generation raus. Die haben nicht nur den PS2-Anschluss, den man viele Jahre später noch kennt, sondern auch einen 32-Bit-System-Bus. Die haben auch VGA-Grafik, ganz besonders entscheidend für diese Geschichte. Die hat höhere Auflösungen, kann 16 Farben gleichzeitig darstellen aus rund 262.000. 88 geht es noch weiter. Da kommen super VGA-Karten verschiedener Hersteller raus. Die unterstützen wiederum noch mehr Pixel und Farben. Und dann ist da auch noch die große Baustelle beim Sound. Bislang konnte der PC ja nur diese Speaker-Piepstöne ausgeben.
Henner:
[13:35] Das ändert sich jetzt. 87 kommen die Adlib-Karten raus mit FM-Klangsynthese. Mehr darüber in unserer Soundkarten-Folge. Und 89 folgen die Soundblaster-Karten von Creative Labs, die unterstützen PCM-Samples. Etwas, was bislang ein großes Alleinstellungsmerkmal des Amigas war. Jetzt endlich ist es mit diesem Speaker-Geschnarre endgültig vorbei. Und jetzt wird es aber wirklich eng für den Amiga. Und das ist ja immer noch nicht alles. Die Prozessoren werden ja auch immer schneller. Im Amiga steckt immer noch der gleiche 68.000er mit seinen ungefähr 7 MHz.
Henner:
[14:08] Bei den PCs geht es Schlag auf Schlag. 1989 kommt schon der 486 Prozessor auf den Markt. Der läuft anfangs mit 25 Megahertz. Fünf Jahre später ist das schon der Pentium 100, also nominell viermal so schnell mit vierfacher Taktfrequenz. Die eigentliche Rechenleistung, die man ungefähr angeben kann in Millionen Befehlen pro Sekunde, also MIPS, die steigt im gleichen Zeitraum aber ums Achtfache. Und im gleichen Jahr, 1994, kommen auch noch erste spieletaugliche 3D-Beschleuniger-Karten auf den Markt. Die taugen nicht so viel wie die späteren Voodoos, aber sie sind da. Also da passiert unheimlich viel, was alles bei Commodore leider nicht passiert. Nun kann sich Commodore darauf zurückziehen, sie sind ja immerhin die stärkste Spieleplattform im Preiseinstiegsbereich. Die einzige bezahlbare 16-Bit-Spieleplattform, aber das sind sie auch nicht lange. 87 kommt schon die PC Engine raus. Das ist noch eine 8- und 16-Bit-Hybrid-Konsole, aber die ist schon sehr leistungsfähig. Die Grafik kommt durchaus an den Amiga ran.
Henner:
[15:06] Und 88 kommt das Mega Drive. 1990 das Super Nintendo. Und das ist auch sogar laut Jody Cure die erste Maschine, die dem Amiga multimedial das Wasser reichen kann. Also sowohl was die Grafik und die Animation angeht, als auch beim Sound. Commodore hat jetzt also spätestens die technologische Führung verloren. Also zurück zu der Frage, die
Henner:
[15:28] ich gerade gestellt habe, wo bleiben die Nachfolger? Wo ist der Amiga 501?
Gunnar:
[15:33] Um das zu beantworten, müssen wir nochmal ins Jahr 1987 zurück. Das ist das Jahr des Amiga-Relaunches. In dem Jahr kommen die Modelle 500 und 2000 raus. Und es ist das Jahr der Rückkehr von Commodore in die Profitabilität. Das hatte ich ja schon gesagt. Und all das verdankt Commodore zu großen Teilen seinem seit April 86 amtierenden CEO und Präsidenten Thomas Rattigan. Der hat Mitarbeiter entlassen, Standorte geschlossen, unprofitable Produkte, rigoros eingestellt und alles auf den Amiga konzentriert. Das hat die Wende gebracht. Der hat noch bis 1991 Vertrag. Das sieht eigentlich alles ganz langfristig geplant aus, aber so weit kommt es nicht. Im April 1987, da scheint es ja wieder gut zu laufen für Commodore. Die neuen Modelle sind erfolgreich in Europa gestartet. Der US-Staat steht ebenfalls kurz bevor.
Gunnar:
[16:25] Ist offenbar der Vorstandsvorsitzende und der größte Aktionär von Commodore, Irving Gould, unzufrieden. Vor allen Dingen mit dem US-Geschäft. Und er handelt. Der hat die Firma in den 60er-Jahren gerettet und dann lange finanziert und nun besiegelt er den Untergang des Unternehmens, möchte man sagen. Denn am Montag, dem 20. April 1987, lässt er Rattigan von Sicherheitskräften aus dem Gebäude führen. Rattigan sagte, er hätte keine Gründe erfahren für diesen Rauswurf und am 22. April, zwei Tage später, muss dann der CEO von seinen Ämtern zurücktreten. Einen Tag drauf übernimmt Gould selber die Geschäftsführung Und der entlässt auch noch weitere US-Manager, ersetzt sie alle durch getreue Gefolgsleute. Die kommen alle von Commodore Canada, der Gold ist Kanadier. Und es ist nicht so klar, über den Golf der Zeit hinweg zu sprechen. Zu ermitteln, was da die Gründe für waren. Rettigan meinte später, es seien persönliche Differenzen gewesen. Er glaubt, der Gold wäre neidisch gewesen auf Rattigans Ruhm als Firmenretter. Gould selbst hat sich dazu nicht näher geäußert. Die Chicago Tribune hat ihn mal zitiert mit den Worten, die Gründe seien zu sensibel, um diskutiert zu werden. Und ergänzt, er hätte mit der Umstrukturierung sicherstellen wollen, dass man sich mehr auf Vertrieb und Verkauf konzentriert und weniger auf Verwaltung.
Gunnar:
[17:46] Was immer er da mit Verwaltung meint, aber das ist vielleicht auch eine Chiffre für dieses lästige Forschen und Entwickeln, das Computerfirmen immer haben. Vielleicht braucht man das nicht so.
Henner:
[17:57] Ja, das könnte es sein. Ich fürchte das auch. Dass die sich damals nicht so richtig äußern zu den Gründen liegt auch daran, dass Rattigan direkt nach seinem Rauswurf die Firma verklagt hat. Und Jahre später nach einem langen Rechtsstreit bekommt er dann auch Recht und Commodore muss ihm 9 Millionen Dollar zahlen. Also wohl das ihm entgangene Gehalt vermutlich. Also späte Genugtuung für Rattigan. Aber deswegen wissen wir auch nicht so genau, warum das überhaupt alles passiert ist. Aber wir kennen die Folgen und das ist, dass jetzt Forschung und Entwicklung ein bisschen zurückgefahren werden. Gould scheint nämlich wenig Bedarf dafür zu sehen, viel Geld zu investieren in Forschung, aus der ja auch manchmal nichts rauskommt. Ist so schwer berechenbar, die Forschung, lästig. Der ist halt kein Ingenieur, kein Techniker und der versteht auch nichts von Technik. Der gibt sogar unumwunden im Jahr 88 in einem Interview zu, er wisse gar nicht, wie man einen Computer einschaltet. Und er behauptet damals auch, ja Ingenieure, die sind ganz toll und klug, aber die geben selten gute Geschäftsleute ab. Da möchte man ihn schütteln und hinweisen auf andere Unternehmen in der IT-Branche, um ihn herum, die das Gegenteil beweisen. Zum Beispiel bei Intel, die ersten vier CEOs, die Intel zu Weltruhm geführt haben, waren alle Ingenieure. Das ist eigentlich ein Erfolgsmodell. Naja, der Gould, der konzentriert sich lieber auf den Vertrieb und ein bisschen aufs Marketing. Der versucht, die Margen zu erhöhen, versucht alles aus den bestehenden Produkten raus zu quetschen und auch mit verschiedenen Steuertricks die Gewinne zu maximieren.
Henner:
[19:26] Vermutlich, das ist jetzt eine Unterstellung, um den Wert seiner großen Aktienanteile zu steigern. Und er zahlt sich selbst ziemlich fürstliche Gehälter aus. 88 kriegt er eine halbe Million Dollar. 1990 kriegt er schon 1,75 Millionen. Und der CEO von IBM, nur mal zum Vergleich, das Unternehmen ist ein kleines bisschen größer, der kriegt in dem Jahr nur 700.000 Dollar. Also mag sein, dass der IBM CEO noch Boni bekommt, Aktienpakete vielleicht. Aber das reine Gehalt ist deutlich niedriger als das von Gold.
Henner:
[19:58] Die Entwicklung von neuen Computern und neuen Chips, die ja entscheidend sind für den Amiga, die stellt er hingegen zurück.
Henner:
[20:05] Nun ist sehr oft zu lesen in der Rückschau auf die Geschichte von Commodore, dass an all dem, also dem Eindampfen von Forschung und Entwicklung, ein anderer Herr verantwortlich sei, nämlich ein Mahdi Ali. Das ist der 1989 eingesetzte neue Präsident von Commodore, ein Getreuer von Gould. Und das ist ebenfalls ein Manager ohne technische Expertise. Ich weiß nicht, ob der einen Computer einschalten konnte, möglicherweise. Aber der kam von Pepsi, also auch aus einer ganz anderen Branche. Und es ist eben oft zu lesen, der habe die Forschungsausgaben reduziert. Aber die Geschäftsberichte, in denen ich sehr viel gelesen habe, die belegen, dass Gould das schon in Gang gesetzt hat. Und das ist wirklich eine sehr traurige Entwicklung. Bis Mitte der 80er Jahre, also in den Jahren zuvor, sind die jährlichen Entwicklungsausgaben von Commodore noch stetig gewachsen, ohne Unterbrechung. Im Jahr 1980 waren es noch 6,6 Millionen Dollar und 1985 waren es schon 46 Millionen, die sie ausgegeben haben für Forschung und Entwicklung. Dann gerät Commodore ja in Geldnöte, wie wir es beschrieben haben und 86 sinken die Ausgaben wieder leicht auf 36 Millionen, mehr geht einfach nicht, aber dann unter Gold geht es rasant bergab im Geschäftsjahr 87 sind es nur noch 16 Millionen und dann nur noch 15 Millionen.
Henner:
[21:27] Die Zahlen, wenn sie nur so für sich stehen, sagen noch nicht allzu viel aus. Interessanter ist es, wenn man sie ins Verhältnis setzt zum Unternehmensumsatz. Also wie hoch ist der Anteil von Forschung und Entwicklung am Gesamtumsatz? Und das ist auch sehr deutlich. 1985 sind das noch 5,2 Prozent.
Henner:
[21:45] 1988 sind es nur noch 1,7 Prozent. Und im gleichen Jahr gibt Atari, nun mal zum Vergleich, 4,7 Prozent aus und Apple 5,7 Prozent. Also deutlich mehr als das, was Commodore investiert. Die ruhen sich aus. Nun bekommt der Mahdi, wie gesagt, sehr viel Schelte dafür.
Henner:
[22:05] Tschetschenko hat mir gegenüber im Gespräch allerdings in Schutz genommen. Und der sagte zum Beispiel, ja, was die Techniker immer haben wollten, das haben die Kaufleute halt nie realisieren können, weil das Geld dafür gefehlt habe. Und das mag sicherlich zum Teil gestimmt haben. Die wollten wahrscheinlich ständig neue Chipsätze entwickeln, aber dafür fehlte das Geld. Aber es gibt ja nun mal einige Jahre in den späten 80er Jahren, in denen Commodore wirklich große Gewinne einfährt. Und da müsste eigentlich genügend Geld sein für die Entwicklung neuer Chipsätze. Der Luck, der bestätigt das, das ist ein ehemaliger Commodore-Entwickler, der hat die Boeing-Demo miterfunden. Der ist im Jahr 88 gerade nur Aktionär und nicht angestellt bei Commodore. Und der hat aber der Presse gegenüber damals gesagt, niemand sorgt sich noch um die Finanzen. Wir wollen wissen, wie es weitergeht. Mit anderen Worten, wo bleiben die neuen Produkte? Und Gunnar, all das kommt uns doch bekannt vor, oder? Diese ganze Geschichte.
Gunnar:
[23:02] Das ist nicht das erste Mal, dass sowas passiert, sagen wir so.
Henner:
[23:05] Genau, denn das gleicht der eingangs erzählten Geschichte von Atari. Denn dort kam ja auch ein neuer CEO hinzu aus einer ganz anderen Branche. Das war Ray Kassar. In dem Fall war es die Modebranche, aus der er kam. Und der hat auch erstmal die Forschung und Entwicklung auf Eis gelegt. Und es lief ja auch so gut fürs Unternehmen. Also sah er keinen Bedarf, in neue Hardware zu investieren, wie Miner und Decuir das vorgeschlagen haben. Und genau diese Entwicklung bei Atari Ende der 70er Jahre hat ja überhaupt erst später zur Gründung Amigas geführt. Und jetzt, es ist so tragisch, wiederholt sich diese Geschichte zehn Jahre später bei Amiga selbst. Und auch deswegen, sagte ich gleich zu Beginn des ersten Teils dieser Folge, das hier ist irgendwie dann doch eher Folge 3 unserer Atari-Reihe, weil sich die Geschichte von Atari hier wiederholt.
Gunnar:
[23:55] Dieser Investitionsstopp oder dieses Zurückfahren der Investitionen in Forschung und Entwicklung, das sieht man auch an den Fertigungsanlagen. Commodore hat ja Fabriken, Chipfabriken, die waren ein riesiger Wettbewerbsvorteil. Bei der C64-Fertigung, das konnten sie alles selber machen, waren ein eher vertikal integriertes Unternehmen, wie man das heute nennt. Und da wird jetzt aber nicht mehr so viel investiert und die Fertigungsstätten wandeln sich von dem Wettbewerbsvorteil zu einer Bürde, denn die veralten. Die Firma MOS Technology, die macht viele Chips, wie die 6502 Prozessoren mit drei Mikrometer großen Strukturen. Der komplexe Amiga-Chipsatz entsteht anfangs sogar im älteren, aber ausgereifteren 5 Mikrometer Prozess. Der verspricht höhere Ausbeuten bei der Chip-Herstellung. Feinere Strukturen sind technisch aufwendiger und zunächst teurer, bedeuten aber langfristig dann niedrigere Produktionskosten für die Chips bei höheren Taktfrequenzen und geringerer Leistungsaufnahme. Wettbewerber wie Texas Instruments, die stellen daher im Laufe der 80er Jahre ihre Fabriken um auf 2 Mikrometer oder gar 1,5 Mikrometer Prozesse. Den 486er fertigt Intel ab 1989 sogar mit 1 Mikrometer Technik. Commodore verliert hier an allen Fronten den Anschluss.
Henner:
[25:17] Ja, aber wie soll der Gold das verstehen? Der ist halt kein Techniker, der weiß nicht, was ein Mikrometer ist. Und das wird man ihm nicht verständlich machen können, weshalb man da investieren sollte.
Henner:
[25:27] Ja, aber dann tut sich ja doch was, Gunnar. Gute Nachrichten, am 11. Oktober 89. Da versucht Commodore nochmal den Neustart, zumindest in den USA, und lädt, wir kennen das schon, zu einer prunkvollen Gala in New York ein. Wie schon bei der Einführung des Uhrmodells. Dann gibt es noch zwei weitere Veranstaltungen in L.A. und Washington D.C. Und da sind durchaus illustre Gäste eingeladen, zum Beispiel Little Richard, ein Rock’n’Roll-Sänger, den du bestimmt noch kennst, und Buzz Aldrin, der Astronaut, den kennst du wahrscheinlich auch noch. Du warst ja wahrscheinlich damals live dabei bei der Mondlandung.
Gunnar:
[26:00] Ja, wirklich.
Henner:
[26:01] Ja, siehst du.
Gunnar:
[26:02] Meine Mutter lag mit mir im Krankenhaus, als die Mondlandung war. Ich bin während der Mondlandung geboren.
Henner:
[26:07] Oh wow.
Gunnar:
[26:08] Oh Gott, das ist so lange her.
Henner:
[26:10] Ja, Buzz Aldrin, für die, die es nicht wissen, war der zweite Mensch auf dem Mond. Aber was diesen Stars hier vorgestellt wird bei dieser großen Gala in New York und anderswo, sind keine neuen Computer. Das sind neue Werbespots. Immerhin sind das Spots, in denen diese Stars auch selbst mitspielen. Wir können mal kurz einen Ausschnitt anhören. Hier hören wir, wie ein Junge, der einen Amiga zu Hause hat, deswegen ständig von Stars Besuch bekommt, die was von ihm und seinem Amiga wollen. Hören wir mal kurz rein.
Henner:
[26:56] Ja, das ist schon sehr hübsch. Die sind auch nicht billig, diese Spots. Die werden produziert von Lucasfilm damals. Ich wusste gar nicht, dass die auch Werbung machen, aber haben sie damals getan. Und das Ganze ist Teil einer sehr teuren Werbekampagne von Commodore, die je nach Quelle 15 bis 20 Millionen Dollar gekostet haben soll. Und den Slogan hatte The Computer for the Creative Mind. Und ihr Ziel ist, endlich den Verkauf des Amigas in den USA anzukurbeln. Also es geht hier nicht um neue Geräte, nicht mal um ein neues Produktbündel oder so. Es wird einfach nur der A500 beworben. Ein anderer Amiga ist in den Spots jedenfalls nicht zu sehen.
Henner:
[27:36] Also die Spots sind, wie gesagt, schon gelungen viel besser als die alten von 85. Sie vermittelt ein bisschen besser, warum man zu Hause eine Multimedia-Plattform haben sollte. Man kann damit 3D-Bilder rendern oder Musik machen, wie hier mit den Pointer Sisters. Aber sie kommen natürlich viel zu spät und es gibt keine passenden neuen Produkte.
Henner:
[27:56] Time spottet damals über diese Veranstaltung. Die habe sich weniger wie eine Vorschau angefühlt auf etwas, was kommt und mehr wie eine Wohltätigkeitsveranstaltung für einen alternden Star. Das ist ziemlich bitter. Und ja, Sie haben auch recht, das Ganze ist fehlgeleitet und missglückt. Zumindest wenn man sich die Zahlen in den Geschäftsberichten ansieht. Also Commodore hat in den USA ein Problem, anders als in Europa. Aber es wird dadurch nicht gelöst. Im Geschäftsjahr 89, also kurz vor dem Anlauf dieser Kampagne, liegt der US-Anteil am Gesamtumsatz bei Commodore noch bei 24 Prozent und 1990 nach dieser Kampagne sind es nur noch 18 Prozent und die Umsätze sinken auch. Also nicht nur der Anteil, die US-Abteilung macht weiterhin Verluste. Da hat auch diese 20-Millionen-Dollar-Kampagne nichts dran geändert. Naja, in Europa läuft es ja noch ganz gut, aber das wird auch nicht ewig so weitergehen.
Henner:
[28:54] Kommt denn da endlich mal ein neuer Computer nach neuen Spots, Gunnar?
Gunnar:
[28:58] Ja, beinahe, beinahe. Eben wir da zu Europa kommen, nochmal kurz zur Entwicklungsarbeit. Die bleibt natürlich nicht ganz stehen, ist ja klar. 1989 erscheint immerhin der Amiga 2500. Der ist aber nichts weiter als eine Amiga 2000 mit einer vorinstallierten CPU-Karte, die dann einen Motorola 6820 Prozessor enthält. Der ist doppelt so schnell getaktet wie der 68.000er und macht den Rechner in einigen Anwendungen deutlich schneller, aber nicht kosteneffizienter, weil jetzt gibt es noch die ungenutzte 86.000er CPU, die da auf der Platine rumsitzt und die jetzt ersetzt wird durch diese Zusatzkarte. Es gibt noch weitere Amiga-Ableger. In Großbritannien erscheint der A1500. Der hat ein zweites Diskettenlaufwerk. Aber das ist alles bloß so dran rumgedoktert. Am technischen Grundgerüst ändert sich in all diesen Jahren nichts. Und schon lange kursieren in der Amiga-Community Gerüchte über ein neues Topmodell. Das muss ja kommen, das stellen sich alle so vor. Schon Mitte 87 fragte die Happy Computer einen deutschen Commodore-Manager anlässlich der Vorstellung vom A500 und A2000 nach einem Dreitausender. Doch der winkt ab und sagt sehr selbstbewusst, ich glaube nicht, dass wir den Amiga verändern müssen.
Gunnar:
[30:19] Der wird noch ein bisschen halten, der Computer, denken sie. Aber das ist natürlich falsch. Sie müssen die Plattform verändern, die müssen die Plattform upgraden. Und das tun sie auch, aber erst Jahre später. Vielen Dank.
Henner:
[30:29] Ja, er begründet das auch in diesem Happy Computer Interview. Er meint, der A2000 sei ja erweiterbar und damit bräuchte man nichts Neues zu entwickeln. Den kann man ja einfach ewig erweitern.
Henner:
[30:40] Nun ja, es kommt dann trotzdem noch ein neues Modell raus. Mitte 1990 aber erst, da kommt tatsächlich solch ein Amiga 3000. Das ist genau wie der 2000er, so ein Desktop-Modell, also mit abgesetzter Tastatur, gibt es dann aber auch als 3000T im Tower-Format, wie man es vom PC liebt. Und dieser 3000er, der bekommt jetzt einen modernen Prozessor, den Motorola 68030 mit wahlweise 16 oder 25 MHz. Also da ist schon was passiert und er kriegt auch noch eine zusätzliche Gleitkommereinheit, eine FPU, also einen Co-Prozessor für bestimmte mathematische Operationen und er kriegt zwei Megabyte RAM. Im Inneren kann man natürlich nach wie vor über eine Karte noch schnellere Prozessoren einsetzen. Außerdem kann man Steckkarten einbauen, wie gehabt im neuen, aber abwärtskompatiblen Format Zorro 3. Und es gibt zwei ISA-Slots für den DOS-Betrieb, wie man es auch schon vom 2000er kennt. Und auch eine Festplatte ist jetzt eingebaut mit passendem SCSI-Controller.
Henner:
[31:38] Und Gunnar, Überraschung, auch der Chipsatz wird aufgefrischt. Passiert was am technischen Grundgerüst. Nicht so viel wie erwartet, aber es passiert immerhin etwas. Denise, das ist ja der für die Videoausgabe zuständige Chip, wird befördert zu Hi-Res Denise.
Henner:
[31:56] Und die unterstützt, wie der Name schon vermuten lässt, zusätzliche höhere Auflösungen, wie den Super-Hi-Res-Modus zum Beispiel mit 1280×256 Pixeln bei vier Farben. Fat Agnus kann jetzt zwei Megabyte Chip-RAM adressieren. Aber das war es auch schon mit den Neuerungen. Paula, der Soundchip, bleibt unverändert. Trotzdem, das ganze Gespann ist jetzt in seiner Gesamtheit bekannt als ECS, als Enhanced Chipset.
Henner:
[32:24] Außerdem kriegt das Betriebssystem endlich mal ein paar neue Funktionen und auch eine modernisierte Oberfläche, die jetzt betont grau ist und nicht mehr so blau-orange. Meiner zumindest, dem gefällt das, der ist damals gar nicht mehr bei Commodore, aber der lobt das bei einer Veranstaltung und sagt, das würde dem Amiga endlich eine professionelle Anmutung geben, die ihm lange gefehlt habe.
Henner:
[32:44] Es läuft auch eine neue Anwendung auf diesem 3000er, Amiga Vision, die wird ganz stolz von Commodore gemeinsam mit diesem Computer vorgestellt. Das ist ein Multimedia-Authoring-System, so ähnlich wie Scala. Und da lassen sich recht einfach über eine grafische Oberfläche Multimedia-Anwendungen und Präsentationen zusammenstellen. Also Commodore hat schon erkannt, was die Stärke ihres Systems ist. Multimedia-Anwendungen. Und das hier ist ja auch kein Spielecomputer.
Henner:
[33:09] Der Dreitausender ist ein Profi-Kreativ-Arbeitsgerät. Das wird von der Presse durchaus wohlwollend wahrgenommen. Die Byte hat im Mai 1990 das Gerät vorgestellt und darüber geschrieben, das sei die leistungsfähigste Multimedia-Plattform, die man in einem einzelnen Gehäuse bekommen kann. Und die Infoworld, die sagt im Januar 91, Amiga sei der Konkurrenz von IBM und Apple auf diesem Gebiet um Meilen voraus, wohlgemerkt nur auf diesem Gebiet. Und auch Microsofts gerade angekündigte Multimedia-PC-Plattform, die Älteren erinnern sich, würde er wegblasen. Das stimmt auch soweit. Und die Zeitschrift Infobald, die vermutet dann auch, Commodore habe so eine Chance, doch noch durch die Seitentür in die Bürowelt einzubrechen. Das war ja von 85 an das erklärte Ziel von Commodore, den Amiga als Bürorechner zu etablieren. Das ist aber über klassische Büroanwendungen nie gelungen.
Henner:
[34:08] Über diese Multimedia-Anwendungen könnte es jetzt doch noch gelingen. Also doch noch eine Chance für den Amiga. Aber das ist alles, wie gesagt, nichts für Spieler und Heimanwender, denn dafür sind diese Geräte ein bisschen teuer, die kosten mindestens 3.500 US-Dollar. Für die Heimanwender plant Commodore damals was ganz anderes.
Gunnar:
[34:27] Noch mal ganz kurz zu dieser Idee, dass man über die Multimedia-Fähigkeiten in die Bürowelt kommt. Das ist ja ein bisschen das, was der Mac später gemacht hat. Ja. Der hat jahrelang mit geringsten Marktanteilen unter 5 Prozent überlebt in den Designbüros als ganz spezielles Gerät, auf dem man halt im Wesentlichen Premiere und Photoshop und solche Sachen laufen hatte. Und dann irgendwann kam die Mode, dann wurde er nach oben gespült und jetzt ist das ja ein relativ gleichberechtigtes Gerät in den Büros.
Henner:
[34:58] Ja, absolut.
Gunnar:
[34:59] Das hätte der Amiga auch machen können, vielleicht, wenn es nur geklappt hätte.
Henner:
[35:02] Das ist ein sehr gutes Stichwort. Ich will auch nicht zu viel vorwegnehmen. Wir kommen ja noch zur Schlussbetrachtung am Ende dieser Episode natürlich. Aber das Schicksal Apples zeigt doch, dass durchaus neben den IBM PC kompatiblen noch Platz ist für eine weitere inkompatible Plattform. Die Frage ist, ob es noch eine dritte Plattform braucht neben diesen beiden, ob der Amiga da hätte bestehen können. Aber grundsätzlich wäre es möglich gewesen, trotz Inkompatibilität gegen die IBM PCs zu bestehen. Gut, aber das ist ein Thema für später.
Henner:
[35:33] Was passiert denn da jetzt? Was kriegen die Heimanwender von Commodore Kredenzt?
Gunnar:
[35:37] Der größte Trend in den frühen 90er Jahren ist Multimedia. Das ist so ein Wort, das ist in aller Munde zu der Zeit und drei Jahre später komplett tot. Und man darf nicht mehr Multimedia heißen. Aber der Amiga ist bereit für diese Multimedia-Welle. Mehr als alle anderen Systeme, möchte man sagen. Der ist dafür schon gut aufgestellt mit seinen Fähigkeiten, hat aber kein CD-ROM-Laufwerk und CD-ROM ist mit die Voraussetzung für den Multimedia-Trend. 1989 beschließt eine kleine Gruppe von Commodore-Ingenieuren, das jetzt zu ändern. Die kombinieren ein Amiga mit einem CD-Laufwerk, bereiten schnell ein paar Multimedia-Demos vor und dann zeigen sie das dem Management. Und das Management ist überzeugt. Das ist schon cool, die finden das gut, aber das führt jetzt nicht dazu, dass der Amiga ein CD-Laufwerk bekommt. Die Ingenieure haben sich vielleicht zu sehr überzeugt. Das Management beschließt jetzt die Entwicklung einer neuen Geräteklasse. Sie wollen einen Multimedia-CD-Player mit Fernbedienung für den Fernseher. Das CD-TV, das CD-TV. Naja, das ist ja eine schwierige Geräteklasse, wie wir aus anderen Folgen kennen.
Henner:
[36:50] Ja, du meinst das CD-i von Philips vermutlich.
Gunnar:
[36:53] Ja, generell eine Sache, die oft versucht worden ist, diese Setup-Geschichten. Im Frühjahr 91 kommt das Gerät dann auch auf den Markt. Scheitert. Das ist teurer als der 500er, kann aber dafür weniger und für klassische Amiga-Spiele müsste man erstmal noch ein Diskettenlaufwerk anschließen, das es von Haus aus nicht hat.
Gunnar:
[37:11] Als 1992 dann doch noch ein CD-Laufwerk für den Amiga erscheint, das ist das A570, das ist CDTV-kompatibel. Damit ist das CDTV natürlich dann komplett überflüssig geworden, weil man kann ja dann für den Preis eines CD-Laufwerks zu seinem vielleicht schon bestehenden Amiga 500 einfach die Fähigkeiten dazu buchen.
Gunnar:
[37:31] Ein zuerst geplanter Nachfolger wird dann noch eingestellt und dann kommt 1993 mit dem Amiga CD32 eine voll aufs Spielen ausgerichtete Konsolenversion mit fortschrittlicherer Technik. Und auch die ist ein Fehlschlag, denn was der Markt eigentlich will, ist eine Fortsetzung dieser Linie C64 Amiga 500 X. Also Nachfolger für den Amiga 500. Aber der kommt nicht, oder?
Henner:
[37:58] Ja, ich habe ja den Namen 501 schon reingeworfen, aber den will ja niemand. Niemand fängt diesen Ball auf. Stattdessen nennen sie das, was jetzt kommt, 500+. Ja, immerhin. Also Anfang 92 passiert jetzt endlich was mit den Heimcomputern bei Commodore. Nach fast fünf Jahren wird der A500 endlich mal abgelöst durch was völlig Neues, den Amiga 500+. Der bleibt äußerlich praktisch unverändert, sieht also genauso aus, aber hat jetzt ein volles Megabyte-Arbeitsspeicher. Und er hat den ECS-Chipsatz, der ein bisschen weiterentwickelt ist. Und er hat, Achtung Gunnar, eine Uhrenbatterie. Wow.
Gunnar:
[38:32] Ah, endlich.
Henner:
[38:33] Das Betriebssystem wird natürlich auch auf den neuesten Stand gebracht. Der heißt jetzt Kickstart 2.04 und bringt neue Menüs mit, ein überarbeitetes Dateisystem, skalierbare Zeichensätze. Das ist auch wichtig für eine Multimedia-Maschine. Ja. Und vieles mehr. Es gibt allerdings auch ein Problem mit diesem neuen Kickstart, nämlich Inkompatibilität mit bestehenden Hardware-Erweiterungen, aber vor allem mit einigen existierenden Spielen, wie zum Beispiel Lotus Esprit Turbo Challenge. Und um das ist es echt schade. Das habe ich sehr gerne gespielt, wenn auch auf dem ST. Gut, aber das ist nur eine Handvoll Inkompatibilitäten und natürlich ist davon nicht zwangsläufig jeder betroffen. Trotzdem, Spieler haben von diesem neuen Modell nicht allzu viel. Das ist vor allem etwas, wovon Commodore selbst profitiert, weil dieses Modell etwas günstiger zu fertigen ist. Aber immerhin, es ist ein kleiner Fortschritt und in der Amiga-Community ist man begeistert von allem, was da Neues kommt von Commodore. Die dürsten danach. Der 500 Plus ist also insgesamt einigermaßen beliebt. Er ist allerdings sehr kurzlebig, denn er wird nach kürzester Zeit schon abgelöst von einem anderen Einstiegsmodell. Und da müssen wir erst nochmal einen Schritt zurückgehen, um zu erklären, was es damit auf sich hat, bevor wir also zum Fehlschlag Amiga 600 kommen.
Gunnar:
[39:55] Schon kurz nach dem Amiga 3000 im Jahr 1990 beginnt die Arbeit an einem Chipsarts-Upgrade. Das ist vor allen Dingen getrieben von Commodore-Ingenieuren wie Porter und Haney, das sind die Erfinder des Amiga 500. Der Chipsatz heißt zuerst Pandora, dann heißt er AA, dann heißt er AGA Advanced Graphics Architecture und der verbessert vor allen Dingen die grafischen Fähigkeiten. Die Palette wächst auf zeitgemäße 16,7 Millionen Farben, True Color. Der HEM-Modus kann 262.000 davon auch anzeigen und Agnes wird durch Alice ersetzt und Denise durch Lisa, viel jüngere Damen. Bei höheren Auflösungen hält der Chip mit den Super-VGA-Karten auf dem PC aber nicht mit. Und die Paula bleibt völlig unverändert, das ist der Soundchip.
Henner:
[40:44] Ach, die Arme, die wird immer außen vor gelassen.
Gunnar:
[40:47] Ja, die ist halt schon perfekt. Da muss man halt nichts machen, denken sie sich. Das planen, Ingenieure aufzufangen, indem sie einen neuen Co-Prozessor einsetzen, den AT&T fertigen soll, der mit einigen Support-Schaltungen unter anderem dann 16-Bit-Aufnahmen und CD-Audio möglich machen soll. Das wäre ja schon eine Sache, die jetzt mal sein müsste langsam. Und gemeinsam mit dem AGA-Chipsatz verbauen sie den Chip dann in einen Prototyp auf der Basis des Amiga 3000, dem 3000 Plus. Der Prototyp läuft im Februar 91 schon und später im Jahr wollen sie dann den Rechner fertig haben. Dazu kommt es aber nicht. Im Sommer 1991 setzt der Präsident des Unternehmens Ailey einen neuen Entwicklungsleiter ein, Bill Sitnes. Der war zuvor bei IBM zuständig für den fehlgeleiteten PC Junior.
Henner:
[41:36] Oha, ja.
Gunnar:
[41:37] Das ist natürlich nicht so die perfekte Visitenkarte. Tchitschenko hat zu dir auch gesagt, der habe keine Ahnung gehabt, der Sitnes. Sitnes bringt Ingenieure mit, die sich auf Commodores PC-Geschäft konzentrieren und lässt das Amiga-Team unterbesetzt. Und er legt alle Projekte auf Basis des AGA-Chipsatzes auf Eis, der 3000 Plus und der ebenfalls geplante 1000 Plus sind damit dann hin. Ein Projekt jedoch lässt er leben und das ist vielleicht kein gut ausgewähltes.
Henner:
[42:06] Ich frage mich, wie dieses Einstellungsgespräch mit dem Sydney gelaufen sein muss. Hat er das einfach verheimlicht, dass er für den PC Junior verantwortlich war? Der müsste doch ganz groß auf einer No-Go-Liste stehen eigentlich, der Herr.
Gunnar:
[42:19] Ja, irritierend. Es war ja kein ganz schlechtes Gerät. Es hatte nur keinen Erfolg.
Henner:
[42:23] Ach so. Ja, gutes Stichwort. Also jetzt kommt es zum Amiga 600. Es gibt also während diese Herren hier an dem 3000 Plus arbeiten noch ein weiteres Projekt. Ein anderer Ingenieur arbeitet nämlich an einem neuen Einstiegsmodell auf Basis des ECS-Chipsatzes, also noch nicht der neue AGA. Und das ist der Amiga 300 mit dem Codenamen JUNEBUG. Der kriegt ein Megabyte RAM, also wieder 500 plus, soll aber viel günstiger sein als dieser. Der hat ein kleineres Gehäuse ohne Nummernblock. Der externe Zorro-Erweiterungsanschluss, der fehlt auch. Dafür gibt es für Erweiterungen jetzt einen neuen Slot, einen PCMCIA-Slot, den man von Laptops kennt, aus der IBM-kompatiblen Welt. Und einen ATA-Controller für kleine zweieinhalb Zoll Notebook-Festplatten. Also ein bisschen zusammengespart, aber auch ein bisschen ergänzt um sinnvolle Neuerungen. Und dieses Projekt hier, das lässt das Hütnis laufen, anders als die neuen AGA-Systeme. Aber es gibt eine wesentliche Änderung. Kurz bevor das Gerät veröffentlicht wird, im März 92, wird dieser Amiga 300 noch umbenannt in Amiga 600. Und dass er mal 300 hieß, das ist leicht zu erkennen daran, dass auf einigen frühen Platinen noch die alte Bezeichnung 300 steht.
Henner:
[43:41] Ich kann aber nur hoffen, dass das niemand aufgeschraubt hat. Nun, die neue Modellnummer 600, die suggeriert natürlich einen technischen Fortschritt gegenüber dem 500 oder auch dem 500 Plus. Und ich sah auch einige Anzeigen oder Gewinnspiele, in denen der 600er angepriesen wurde in der Presse als die nächste Amiga-Generation.
Henner:
[44:00] So ganz falsch ist es nicht. Er hat ja den ECS-Chipsatz, aber trotzdem, der Fortschritt gegenüber dem 500 Plus ist so winzig, dass das schon Etikettenschwindel ist. Der neue Name soll vielleicht auch einfach den höheren Preis rechtfertigen, denn der 600er, der ist gar nicht so günstig wie mal geplant. In den USA kostet er am Anfang 500 Dollar, mit Festplatte 750 Dollar. In Deutschland kriegt man ihn anfangs für 900 deutsche Mark. Das entspricht inflationsbereinigt heute ungefähr 890 Euro. Und damit ist er bei den meisten Händlern teurer als der Vorgänger der 500 Plus, der nicht nur größer ist und mehr Tasten hat, sondern auch leichter erweiterbar ist. Und besser kompatibel mit bestehender Hardware. Das ist ein schlechtes Angebot. Den 500 Plus gibt es ja meistens auch im Bündel mit Spielen oder anderer Software, manchmal mit Joysticks und den 600er am Anfang nicht. Also das ist klar, dass man da lieber zum 500 Plus greift.
Henner:
[44:58] Die Amiga-Presse, die ist trotzdem verhalten positiv damals. Die Amiga World schreibt zum Beispiel, ja wer seinen Amiga häufiger transportieren muss, der kann zugreifen. Ein etwas schwaches Argument, aber die fehlende Erweiterbarkeit sei doch ein großes Manko. Die Powerplay 1292 aus Deutschland, die ist ein bisschen strenger, die schreibt damals, der 600er provoziert in Fachkreisen schallendes Gelächter.
Henner:
[45:26] Ja, bei uns schon. Das Preis-Leistungs-Verhältnis sei fragwürdig. Auch bei Commodore selbst ist der 600er sehr unbeliebt, zum Beispiel bei David Pleasant. Das ist damals der Direktor der britischen Commodore Dependance und der hat sich auch in den Jahren danach noch gerne geäußert zu diesem Thema und Bücher geschrieben. Und der hat ihn später als vollständigen Fehlschlag bezeichnet, den Amiga 600. Der wird auch als Amiga Junior verspottet natürlich, wegen der Verwandtschaft zum PC Junior in gewisser Weise.
Gunnar:
[45:58] Wie gemein. Das zieht ja auch hart auf den Sidness.
Henner:
[46:01] Ja, ja, klar. Der Vertrieb ist auch nicht so begeistert. Die hätten gerne weiterhin die Vorgänger verkauft, die sehr beliebt sind nach wie vor, zumindest in Europa, haben aber keine Wahl, denn die Produktion der Vorgänger wird nach und nach eingestellt. Nun, also das wesentliche Problem des 600er ist der hohe Preis im Zusammenspiel mit dem irreführenden Namen. Und der Preis ist so hoch, weil er sich kaum günstiger herstellen lässt als der 500er, obwohl das ja so mal geplant war. Denn ein großer Kostenfaktor ist neben dem Prozessor, der ja unverändert ist, der Chipsatz. Und den fertigt Commodore nach wie vor im sehr ineffizienten, mittlerweile 3,5 Mikrometer Prozess, sagen zumindest einige Quellen. Intel ist im gleichen Jahr schon auf 0,8 Mikrometer umgestiegen. Commodore hat gröbere Strukturen, also weniger Transistoren pro Fläche, weniger Chips pro Wafer. Die Stückkosten sind höher. Und so hat der 600er auch nach anfänglichen kurzen Erfolgen keinen langfristigen Erfolg. Tchitschenko hat ihn sogar einen Sargnagel genannt mir gegenüber.
Henner:
[47:06] Trotzdem ist er am Ende vom Lied in Deutschland zumindest der zweitmeistverkaufte von allen Amigas, noch vor dem 500+, der ja aber nicht lange leben durfte, und dem teuren 2000. Ja, also ein großer Fehlschlag. Aber zur Ehrenrettung, der 600 ist kein schlechtes Produkt, möchte ich hier mal festhalten. Der funktioniert ja. Es gibt ein paar Kompatibilitätsprobleme, aber die hat der 500 Plus halt auch schon wegen des neuen Betriebssystems und die betreffen nicht jeden. Man kann in aller Regel damit gut spielen und arbeiten. Es ist nicht so, dass er beim Einschalten explodiert oder dass er radioaktiv strahlt oder dass er seine Mutter beleidigt oder dass er die Tastatur vom PC Junior geerbt hätte oder sowas Schlimmes. Nein, er hat einfach nur den falschen Namen und den falschen Preis. Und der Preis, der sinkt ja auch sehr schnell. Und damit ist er eigentlich kein ganz so schlechtes Angebot. Aber nicht ganz so schlecht reicht leider nicht mehr.
Gunnar:
[48:01] Das reicht ja vor allen Dingen nicht in einem Markt, in dem man einen Nachfolger erwartet hat und nicht eine Variante.
Henner:
[48:07] Ja, richtig.
Gunnar:
[48:08] Kurz nach der Einführung der 600er im Frühling 92 kündigt Commodore dann zwei neue Modelle für das Jahresende an. Ein Kompaktgerät namens Amiga 1200 und ein erweiterbares Topmodell, den A4000. Und die sollen jetzt nun den verschobenen AGA-Chipsatz enthalten. Der 1200er, der erbt äußerlich Elemente des 500er und des 600ers, setzt aber innerlich auf eine Variante des fortschrittlicheren 68000-20-Prozessors. Mit seinen 14 Megahertz und enthält immerhin 2 Megabyte RAM. Der hat auch einen Ziffernblock, ist erweiterbar, weitgehend kompatibel mit der A500er Peripherie, nimmt aber wie der 600er auch PCM-CIA-Karten auf und sogar optionale ATA-Festplatten. Kurzum, das ist jetzt der wahre A500-Nachfolger, auf den Amiga-Fans seit Jahren warten. Und für 600 Dollar bzw. 900 Mark in Deutschland, heute 890 Euro etwa, ist das ein gutes Angebot, auch wenn die Presse ihre Enttäuschung über den langsamen Fortschritt nicht mehr verhehlen kann. Sogar der treue Amiga Joker findet es in Ausgabe 1192 irritierend, dass die Soundfähigkeiten nicht aufgemöbelt worden sind.
Gunnar:
[49:22] Es ist ja immer noch die unveränderte Paula drin, aber 1992 ist der Amiga immer noch eine formidable Spieleplattform und jede Verbesserung auf der Plattform ist willkommen. Andrew Braebrook hat zu dir gesagt im Interview, er habe den AGA-Chipsatz und die 68.020er CPU geliebt. Man hätte plötzlich mehr Leistung gehabt, mehr Geschwindigkeit, mehr Farben. Doch die Entwicklung passender Software lohnt sich jetzt kaum noch. Und Tshishenko hat zu dir gesagt, es mangelt halt an Software, die die Möglichkeiten des 1200ers genutzt hätte. Das größte Problem des 1200ers jedoch ist, dass er gar nicht da ist. Er ist nicht gut verfügbar. Es gibt Bedarf. Commodore hat Lager voller 500er und 600er Modelle, kann sie aber nicht verkaufen, weil der Markt jetzt natürlich auf den 1200er wartet. Das nennt man in der Fachsprache den Osborne-Effekt. Der hat aber Lieferprobleme und kommt zu spät für das Weihnachtsgeschäft. Im wichtigen Markt in Großbritannien haben sie zum Launch nur 30.000 Exemplare. Haney von Commodore hat dieses Weihnachtsfest später als Desaster für das Unternehmen bezeichnet und die gesamte Gerätegattung des Heimcomputers wird sich davon nicht mehr erholen.
Henner:
[50:35] Tragisch.
Gunnar:
[50:36] Ja, wirklich tragisch. Ach, gerade der 1200er, so ein tolles Gerät.
Henner:
[50:39] Ja, und er kriegt noch eine große Schwester, den A4000. Das ist das High-End Pendant. Es gibt ja immer ein Heimcomputermodell und ein Profigerät dazu. Im beigefarbenen Desktop-Gehäuse mit abgesetzter Tastatur. Ja, und das ist der Amiga 4000. Der hat jetzt den 68040er Prozessor mit 25 MHz. Hat auch zwei Megabyte RAM, lässt sich aber deutlich erweitern. Festplatte ist drin. Ist insgesamt kein schlechtes Paket, aber weit weg von der Revolution, die man von Amiga ja eigentlich mal erwartet hat. Und Dave Haney hat spöttisch darüber gesagt, der sei nur aus 3000er Teilen zusammengeworfen worden.
Henner:
[51:21] Der A4000 erscheint im September 92 für 3.700 Dollar, aber wird sehr schnell für unter 3.000 angeboten von den Händlern. Aber zu der Zeit sind die IBM-Kompatiblen ja technisch in vielerlei Hinsicht ebenbürtig. Und sie sind, das ist besonders schlimm für Commodore, mittlerweile günstig genug für den Massenmarkt. Also Commodore hat den Preisvorteil völlig verloren. Ein PC mit 48633 Prozessor und auch 2 Megabyte RAM und Super VGA-Karte gibt es schon für die Hälfte dessen, also für ungefähr 1500 Dollar und mit etwas größerem Softwareangebot. Die Amiga 4000 Werbung damals ist trotzdem optimistisch, die sagt, das sei das erste Mitglied einer ganz neuen Generation der Amiga Multimedia Computer.
Henner:
[52:06] Aber es kommt nur noch einer raus, 93, die Tower Variante 4000T und davon werden wahrscheinlich, man weiß es nicht so genau, nur wenige hundert Exemplare überhaupt ausgeliefert und dann ist es vorbei. Ja, das war’s mit dem Amiga. Oder noch nicht ganz?
Gunnar:
[52:22] Naja, noch nicht ganz. Commodore gibt noch nicht auf. Da sind noch ein paar unentwegte Ingenieure, die mit Restbudgets noch arbeiten. Der AGA-Chipsatz im 1200er und 4000er, der war ja eh nur eine Zwischenlösung. Eigentlich hat ein Team, darunter David Haney, bereits seit 1988 an einer neuen Generation von Chipsets gearbeitet. Der wurde bekannt als AAA, Advanced Amiga Architecture. Und der bringt natürlich wie jeder neue Chipset mehr Farben bei höheren Auflösungen, erstmals auch verbesserten Sound. Endlich, Hilfe für die arme Paula. Dieses Projekt verzögert sich aber ständig wegen der zusammengestrichenen Forschungsgelder und wird 1993 schließlich komplett aufgegeben. Denn zu dem Zeitpunkt ist endlich offensichtlich, dass der Chipsatz gegen die aktuelle PC-Generation doch keine Chance hat. Und dann nimmt Commodore noch einen allerletzten Anlauf und zwar mit einem Chipsatz namens Ombre. Aber das ist schon nicht mehr Amiga. Da sind wir schon bei Hardware, die unter Windows NT laufen soll. Und der ist nur noch abwärtskompatibel zum Amiga mit einem Zusatzchip. Diese neue Plattform soll 94 fertig sein, 95 in Produktion gehen, aber so kommt es wieder nicht.
Henner:
[53:39] Ja, jetzt kommen wir dem Ende Commodore’s nahe. Dabei sind ja die frühen 90er, in denen wir ja immer noch sind, eigentlich eine Zeit des Wachstums für Commodore. Vor allem Dank des Amigas, aber trotzdem das Ende naht. Denn wir haben es ja schon das ein oder andere Mal erwähnt. Der PC wird immer besser. Das wird Christian freuen, dieser Teil der Geschichte. Die Konkurrenz durch den PC wächst immer mehr. Der PC erobert erst die Büros, dafür war er ja mal gedacht. Dann auch die Haushalte, weil er günstiger wird. Und schließlich gemeinsam mit dem Mac auch die Amiga-Bastion der Kreativarbeit, also die Grafik- und Videoabteilungen. Und sogar Jay Miner muss 88 zugeben, der Amiga liegt so weit hinter Macintosh und IBM, hat so viel Schwung verloren, dass ich nicht glaube, dass er sich davon erholen kann. Das ist der Vater des Amigas, der das sagt. Ist das nicht traurig?
Gunnar:
[54:30] Und vor allen Dingen hat er das im Jahr 88 schon gesagt. Und da ist ja noch einiges passiert danach.
Henner:
[54:35] In der Tat. Denn dank fallender Preise und sehr schneller technischer Entwicklung verdrängen die PCs den Amiga auch vom Thron des führenden Spielecomputers. Den hat er ja vom C64 geerbt und für einige Jahre verteidigt, zumindest in Europa. Aber im Dezember 92 schreibt dann die Powerplay, Langsam macht der PC dem Amiga die Vormachtstellung in Sachen Spiele streitig. Und ein paar Monate später im März 93 schreibt sie dann sogar, der PC regiert. Ja, das liegt an seiner überlegenen Leistung und an der VGA-Grafik. Und das beides prädestiniert ihn ja für eine neue Spielegeneration, die in den frühen 90ern populär wird. Vielleicht hat man davon gehört, 3D-Spiele setzen sich langsam durch. Oder Spiele mit 3D-Anmutung zumindest erstmals, so wie Wing Commander oder Ultima Underworld, Wolfenstein 3D und alles, was darauf noch kommt. Ich habe bei anderer Gelegenheit mit Erik Simon mal zu dem Thema gesprochen und der sagte mir, für die ersten Spiele mit texturierter 3D-Grafik war der PC auf einmal dem ST und dem Amiga hoch überlegen. Wolfenstein-ähnliche Grafik haben wir mit all unseren Tricks auf den 16-Bittern noch geschafft, aber Doom? Alter!
Henner:
[55:49] Das Alter ist Teil des Zitats, denn der Amiga ist für schnelle 3D-Grafik nicht gemacht. Jetzt wird es nochmal kurz technisch, wir steigen nicht zu tief ein, aber das müssen wir noch einmal kurz erläutern, warum eigentlich nicht, denn eigentlich hat er ja einen sehr fähigen Grafikchipsatz.
Henner:
[56:07] Nun, der arbeitet mit Bitplanes. Das heißt, er speichert seine Bildinformationen, die einzelnen Bildpixel-Farbinformationen in Bitplanes. Und Bitplanes sind hintereinander liegende Bildebenen, die für jeden einzelnen Pixel, also Bildpunkt, jeweils nur ein Bit speichern. Das heißt, wenn man den vollwertigen Farbwert eines Pixels haben will, da braucht man alle Bildebenen, alle Bitplanes hintereinander und daraus ergibt sich der vollständige Farbwert. Um einen einzelnen Pixel einzufärben, sind also deswegen ganz viele einzelne Speicherzugriffe nötig. Einmal für jede einzelne Bitplane. Für die typischen 32 verschiedenen Farben braucht man also 5 Bitplanes. Wieso? Eine Bitplane enthält 1 Bit, 0 oder 1, also zwei mögliche Farbwerte. Für 32 Werte brauche ich 5 Bit. 2 hoch 5 ist 32, also 5 Bitplanes. Für 2D-Grafik ist das kein Problem, denn hier werden in der Regel keine Einzelpixel eingefärbt, sondern hier werden komplette größere Pixelblöcke verschoben, also Sprites oder ganze Hintergründe.
Henner:
[57:05] Aber 3D-Grafik funktioniert anders. Wenn ich mit einem Ego-Shooter durch die Gänge laufe, dann ändert sich ständig die Perspektive und dadurch verändert sich praktisch mit jedem einzelnen Frame jeder einzelne Bildpunkt auf dem Bildschirm und muss dadurch neu eingefärbt und neu berechnet werden. Und das bedeutet extrem viele Speicherzugriffe. Und das Problem wächst natürlich noch mit steigender Farbtiefe. Also wenn ich mehr als 32 Farben haben will, was mit dem AGA-Chipsatz ja auch möglich ist, dann brauche ich noch mehr Bitplanes, sprich noch mehr ständige Speicherzugriffe und das ist sehr, sehr ineffizient. VGA auf dem PC arbeitet völlig anders.
Henner:
[57:43] Ja und deswegen, es ist zwar möglich, es gibt ja dann später auch Doom für den Amiga, aber es ist erheblich weniger effizient als bei VGA-PCs.
Gunnar:
[57:53] Das alles und vor allen Dingen natürlich auch der sinkende Marktanteil und der mangelnde Erfolg in den USA führen dazu, dass der Amiga für die Entwicklerstudios sich jetzt von einer Lead-Plattform zu einem Nachgedanken entwickelt. Bei 3D-Spielen ja ohnehin, das ist ja klar, aber auch bei 2D-Spielen. Ob es nun Wing Commander, Civilization, Monkey Island 2 oder Ultima 6, die großen Titel erscheinen jetzt in den frühen 90er Jahren zuerst für den PC und werden dann auf den Amiga nur portiert. Und im März 1993 schreibt die Computer Gaming World, viele Entwickler würden dem Amiga jetzt ganz den Rücken kehren. Und das stimmt auch. Alle vier Titel, die ich eben genannt habe, bekommen Fortsetzungen. Keine davon ist für den Amiga. Und zur gleichen Zeit kommt nämlich noch eine neue Spieleplattform auf den Markt, die Entwicklerkräfte bündelt und Spieler anzieht. Das Ende des Amigas besiegelt habe für ihn vor allen Dingen die Ankunft der Playstation, die einen modernen Grafikprozessor hatte, hat dir der britische Entwickler Andrew Braybook erzählt. Und der Chyschenko hat das nochmal aus der anderen Sicht bestätigt und sagt, Als wir praktisch abhängig geworden sind von den englischen Softwarehäusern, da haben die gekniffen und haben Commodore für Nintendo und Sony im Stich gelassen.
Henner:
[59:13] Ja, es stimmt, aber man kann sie nicht wirklich verantwortlich machen dafür. Nun naht also wirklich oft angekündigt das Ende.
Henner:
[59:26] Trotzdem das Geschäftsjahr 92, das im Juni 92 endet bei Commodore, das wird nochmal ein großer Erfolg. Die Amiga-Verkäufe erreichen einen neuen Höchststand mit über einer Million verkauften Geräten, getrieben von den Restbeständen des 500ers und auch vom neuen 600. Aber wenn man das mal genauer betrachtet, die Geschäftszahlen, dann sieht man, der Zenit ist schon erreicht im Weihnachtsquartal 91. Das bringt Commodore nämlich noch 40 Millionen Dollar Gewinn ein. Aber zur Jahresmitte 92 rutscht Commodore schon in die Verlustzone und kommt nie mehr raus bis zum Ende. Im Geschäftsjahr 93, da gehen die Amiga Stückzahlen dann schon um 20 Prozent zurück. Der Umsatz sinkt sogar um 40 Prozent. Das kann man sich auf Dauer nicht leisten. Kommodore häuft in diesem Geschäftsjahr einen Verlust von über 350 Millionen Dollar an. Jetzt könnte man es ihnen nicht mehr vorwerfen, wenn sie nicht mehr in Forschung und Entwicklung investieren, hätten sie das mal früher getan.
Henner:
[1:00:26] Das sieht man dann auch am letzten Geschäftsbericht. Ich habe sie ja alle, wie gesagt, sehr ausgiebig gelesen. Da sind immer so hübsche Hochglanzfotos drauf gewesen von neuen Computern und auch der Vorstand stellt sich vor auf dem Foto und lächelt in die Kamera. Der letzte Geschäftsbericht ist ganz traurig. Das ist einfach nur noch ein schmuckloser Text ohne jedes Bild. Darin verkündet Commodore zum Beispiel, sie würden sich jetzt endlich mal aus dem PC-Geschäft zurückziehen, das defizitär war. Man wollte sich jetzt ganz auf den Amiga konzentrieren, zum Beispiel auf die CD32-Konsole. Und da schreiben sie noch, wir hoffen sie zu einem führenden Mitbewerber auf dem Videospielemarkt zu machen. Ganz kleinlaut und das gelingt natürlich nicht, wie wir wissen, dass CD32 floppt. Und der A1200, der ja eigentlich ein Erfolg ist in Europa, der kann das Unternehmen nicht alleine retten. Am 29. April 1994 ist Commodore pleite. Da endet also diese Ära mit der Insolvenz des Mutterkonzerns Commodore International und die einzelnen nationalen Dependancen, die folgen nach und nach in die Pleite. Zu dem Zeitpunkt wurden insgesamt ungefähr 4,8 Millionen Amigas verkauft. Das ist ein beachtlicher Erfolg, aber es ist noch nicht ganz das Ende für die Marke. Es gibt noch einen Hoffnungsschimmer, denn irgendwie geht es ja doch immer weiter. Der Ball, der hüpft noch ein bisschen, Gunnar.
Gunnar:
[1:01:48] Für die Marke soll es noch ein bisschen weitergehen. Ein Jahr später steht dann Commodore zum Verkauf und die noch bestehende britische Dependance, die möchte gerne die Mutter kaufen. Dell bewirbt sich noch darum, der Computerhersteller, angeblich auch Samsung, den Zuschlag erhält. Ein bisschen aus dem Leftfield, wie man so sagt, der deutsche Computerhändler und Hersteller S-Com. Der zahlt 15 Millionen Mark. Eskom hat aber gar nicht richtig Interesse am Amiga, denn das sagte der Chischenko auch. Der Eskom-Chef, der wolle den Namen Commodore benutzen und der Amiga ist vielleicht wegen der Patente interessant, aber nicht, um dieses Produkt in den Laden zu bringen. Aber dennoch gründet Eskom die Amiga Technologies GmbH. Chischenko leitet sie, also er übernimmt auch den Chischenko damit. Die übernimmt den Abverkauf der Lagerbestände und legt sogar die Modelle 1200 und 4000T wieder auf und verkauft dann, mühsam ernährt sich das Eichhörnchen, immerhin noch 100.000, 1200er. Tchischenko sagt, das Unternehmen schafft es aber nicht, die Amigas in nennenswertem Maße über die S-Compt-Filialen zu verkaufen. Die konzentrieren sich eher auf den lukrativeren PC.
Gunnar:
[1:03:00] Auf der CeBit 96 zeigt Amiga immerhin sogar noch eine neue Entwicklung, den Heimcomputer Walker mit CD-ROM und modernem Chipsatz, aber der kommt nicht mehr auf den Markt. Mitte 96 ist Escom selber insolvent.
Henner:
[1:03:16] Ach nee.
Gunnar:
[1:03:17] Aus ganz anderen Gründen, ja. Das hat gar nicht spezifisch was mit Amiga zu tun, aber da sind sie ins falsche Zelt geschlüpft und die sind dann selber pleite gegangen.
Gunnar:
[1:03:25] Tchischchenko bleibt umtriebig, der nutzt seine Kontakte, um einen neuen Käufer zu finden, klopft bei Motorola an, bei Apple und 1997 geht die Amiga-Sparte, ohne den Rest von Commodore, an den PC-Hersteller Gateway. Immer noch geleitet von Tchischchenko, der hier der Steward des Amiga ist, die ganze Zeit in dieser Phase. Und öffentlich spricht Gateway wieder nur von einem interessanten Patentportfolio, das sie damit erworben haben, stellt aber 1999 mit dem Amiga MCC für Multimedia Convergence Computer immerhin noch einen neuen Rechner vor mit Transmeta-CPU, Netzwerkanschluss und 3D-Grafik von ATI.
Gunnar:
[1:04:05] Das Projekt verläuft allerdings im Sande und es ist immer noch nicht vorbei. Im Jahr 2000 geht Amiga dann in eine Ausgründung ehemaliger Gateway-Mitarbeiter namens Amino und die Firma will sich dann auf das Betriebssystem konzentrieren und die Hardware-Entwicklung Lizenznehmern überlassen. Wie nach dem IBM-Modell. Und danach wird die Geschichte noch verworrener. Amino lässt Amiga OS 4.0 vom Softwareportierer Hyperion Entertainment entwickeln. Der erhält später auch die Rechte daran. Die Amiga-Markenrechte jedoch gehen in eine Art Dauerrechtsstreit und bleiben in der Luft hängen zwischen Amino, Hyperion und zwei Firmen namens iTech und Cloanto.
Gunnar:
[1:04:46] Das ist alles nicht hilfreich.
Henner:
[1:04:48] Ja, einige von diesen Firmen nennen sich auch selbst zeitweise um in Amiga. Es ist sehr unübersichtlich und ist es nach wie vor, auch aus unserer heutigen Perspektive 2025, ist das nicht geklärt.
Henner:
[1:05:01] Aber das schließen wir jetzt mal ab. Blicken wir mal zurück auf die gesamte Amiga-Zeit, die ja nur erschreckend wenige Jahre währte, zumindest die aktive Amiga-Zeit.
Henner:
[1:05:14] Warum war sie letztlich nicht erfolgreich? Woran lag das jetzt? Man könnte das ganz analytisch angehen. Was braucht eine Computerplattform überhaupt für langfristigen Erfolg? Und wir haben das schon mal geklärt, eigentlich erschöpfend, Gunnar, nämlich in der Stay Forever Technik Folge über den IBM PC. Das war Folge 4. Und da haben wir vier Gründe genannt dafür, dass sich der IBM PC und seine Klone durchgesetzt haben. Und das waren vier Dinge, die können wir jetzt nochmal aufzählen. Offenheit, Modularität, Kompatibilität und konstante Weiterentwicklung. Und an drei davon können wir für den Amiga einen Haken machen. Offen ist die Plattform einigermaßen zumindest, sie ist modular, zumindest die größeren Modelle und weitgehend abwärtskompatibel zu früheren Amigas. Das Problem liegt also am vierten Punkt in der Weiterentwicklung. Die ist einfach zu langsam. Denn nach der Einführung der zweiten Generation, also 87, der 500er und der 2000er. Wir haben es beschrieben, da hat das neue Commodore-Management um Gold und Ali die Entwicklung auf Eis gelegt. Neue Chips, neue Computermodelle kamen viel zu zögerlich. Auch der Pleasence, den wir schon mal zitiert haben, der sagte dazu, es habe durchaus talentierte Ingenieure gegeben bei Commodore, aber sie wurden nicht geführt. Commodore starb, weil sie die Entwicklungsabteilung verhungern ließen.
Henner:
[1:06:35] Und das sagen viele Zeitgenossen. Die Folge dessen ist, dass alle weiteren Amiga-Modelle nach dem 500 und dem 2000 viel zu spät kamen. Ja, der 1200er kam, du hast es gesagt, das war praktisch der Heimcomputer-Nachfolger, auf den alle gewartet haben, aber den hätte man kurz nach dem 500er gebraucht und nicht fünf Jahre später. Der Dreitausender, der Viertausender, die haben alle keine neuen Trends mehr gesetzt. Auch die neuen Chipsätze, ECS, AGA, die sind nur anderen Trends hinterhergelaufen. Die haben ein paar Lücken gestopft und dabei auch immer wieder die Paula vergessen. Und so hat der Amiga die Alleinstellungsmerkmale verloren, die er anfangs noch hatte, die 85 noch so revolutionär waren auf der Bühne in New York. Die Multimedia-Fertigkeit, das farbige GUI, das Multitasking, all das ist bald kein Alleinstellungsmerkmal mehr. weil die anderen das auch können. Das ist nicht so schlimm, wenn Amiga nachliefert und neue Alleinstellungsmerkmale rausbringt. Aber die kommen halt nicht. Sowas wie ein 3D-fähiger Chipsatz zum Beispiel wie der Ombre oder das CD-ROM-Laufwerk, wenn sie das in den 80ern gebracht hätten. Das hätte sie vorangebracht, aber das ist eben alles ausgeblieben. Das war auch nicht möglich mit nur einer Handvoll Amiga-Ingenieuren und einem zusammengestrichenen Entwicklungsbudget.
Henner:
[1:07:51] Und wenn Commodore dann doch noch Produkte entwickelt hat, das ist ja durchaus noch passiert, dann oft am Markt vorbei. Wir haben den Amiga 600 ja schon dafür gedisst oder das CDTV oder CD32 und gleichzeitig hat Commodore ja noch in andere Geräte Entwicklungsressourcen gesteckt, von denen sie nicht genug hatten. In völlig chancenlose Projekte, zum Teil wie den C-65. Das war mal ein angedachter und nie veröffentlichter C-64-Nachfolger, obwohl es eigentlich mit dem Amiga 500 schon C-64-Nachfolger gab, in gewisser Weise.
Henner:
[1:08:26] Das hätte man sich also schenken können. Oder die ganze PC-Sparte. Mit der hat Commodore nie, zumindest nicht langfristig, Erfolg gehabt. Die hatten überhaupt keine Chance, damit Erfolg zu haben gegen die ganzen asiatischen Klonhersteller. Das hat Michishchenko auch so bestätigt. Der sagte mir, die Produkte aus taiwanischer Produktion waren halt viel billiger. Und die letzten Commodore-PCs mussten mit riesigen Verlusten abverkauft werden. Also hätte man sich all das geschenkt und vollständig auf den Amiga konzentriert, vielleicht wäre die Geschichte anders abgelaufen. Vielleicht hätten wir ein zweites Apple hier entstehen sehen. Ja, und wer ist schuld am Ganzen? Ja, letztlich ist immer das Management schuld und das sagt auch Pleasance so. Der sagte, Zitat, Commodore hatte nie intellektuell qualifiziertes Management, das sich für das Geschäft interessierte.
Gunnar:
[1:09:17] Ist die Frage tatsächlich, ob es ein zweites Apple hätte geben können und ob es überhaupt irgendeine kleine Firma schaffen kann, in den normalen Segmenten mit den IBM-kompatiblen mitzuhalten, die ja einfach diese Marktmacht haben durch die vielen Firmen, die daran beteiligt sind und die halt innovieren können, ohne dass da eine einzelne Entwicklungsabteilung sitzt, auf deren schmalen Schultern dann die ganze Last landet.
Gunnar:
[1:09:40] Wir werden es nie erfahren, logischerweise. Ich habe noch weitere Gründe für das Scheitern des Amiga, die man mindestens mal abhandeln hier müsste. Der Amiga war von Anfang an nicht so klar positioniert, wie es hätte sein müssen. Der Tausender war weder Heimcomputer noch Bürorechner und Commodore hat in den ersten Jahren weder richtige Vertriebswege gefunden, noch eine klare Werbeaussage zu diesem Gerät. Dann gab es die mangelnde Bürotauglichkeit, die aber einherging irgendwie mit einem tiefen Wunsch der Firma im Büro vorzukommen. Die frühen Amigas haben die hohen Auflösungen, die dafür nötig sind, nur im Interlace-Modus erreicht, also mit der abwechslenden Anzeige zweier Halbbilder. Und das hat dann zu Schlieren und Flimmern geführt, jedenfalls wenn man nicht noch zusätzlich einen Flickerfixer hat, was am Fernseher völlig okay ist. Aber bei der Bildschirmarbeit an dem Monitor ist das nicht zumutbar.
Henner:
[1:10:32] Hattest du einen Flickerfixer an deinem Amiga?
Gunnar:
[1:10:34] Ich hatte einen Fernseher, logischerweise.
Henner:
[1:10:36] Ach so. Ja, ist die günstigere Lösung.
Gunnar:
[1:10:40] Und damit war das Flickern gefixt.
Henner:
[1:10:42] Ja.
Gunnar:
[1:10:42] Und es haben Anwendungen gefehlt. In den ersten Jahren fehlt es an Bürosoftware. Die marktführenden Programme wie Lotus 1, 2, 3 oder Word oder D-Base, die kommen nicht. Und die Kompatibilität zum Branchenstandard DOS kriegen sie nur hin mit teurer Zusatzhardware oder mit großen Leistungseinbußen. Die DOS-Sachen liefen ja dann sehr langsam. Tchetschenko hat das auch beschrieben. Da hören wir ihn noch mal kurz in einem Einspieler. Und wir hatten es schon sehr deutlich gesagt, vor allen Dingen fehlen in der Frühzeit Spiele. Das Gerät hat ja später seine größte Marktausdehnung im Wesentlichen als Spielemaschine erreicht und die waren am Anfang nicht da. Einer der Ingenieure von Commodore, Ron Nicholson, hat gemutmaßt, Commodore habe gar kein Interesse daran gehabt, eine Spielefirma zu sein und das Marktpotenzial falsch eingeschätzt. Was ein bisschen merkwürdig ist, nachdem man den C64 auf den Markt gebracht hat.
Henner:
[1:11:54] Ja, es ist unbegreiflich.
Gunnar:
[1:11:56] Und auch das ist eine Geschichte, die schon oft erzählt wurde. Der Amiga ist eine beliebte Plattform für Raubkopierer. Commodore nimmt es hin. Tchitschenko hat gesagt, die waren da nicht böse drum und haben gedacht, naja, wenn die Leute mehr Software zu Hause haben, dann brauchen sie auch mehr Geräte. Aber die Spielefirmen haben da natürlich sehr genau drauf geschaut. Und der Braybrook hat dir auch erzählt, die Piraterie war so weit verbreitet, dass es nicht mehr nachhaltig war, auf dieser Plattform weiterzumachen. Und die PlayStation 1, die damals frisch gestartet ist in der Endphase des Amiga, die war am Anfang nicht kopierbar. Also am Anfang. Das hat ja auch nicht so lange gehalten, aber am Anfang war sie nicht kopierbar. All das hat dem Amiga das Genick gebrochen. Aber trotzdem hatte das Gerät großen Einfluss auf das Medium und den Markt.
Henner:
[1:12:41] Ja, dann kommen wir zum Fazit. Was hat er uns denn gebracht, der Amiga? Was ist geblieben von ihm? Hat er die Heimcomputerindustrie revolutioniert, wie Electronic Arts das damals in der Pressemitteilung prophezeit hat? Schauen wir mal. Also die Einflüsse des Amigas sind mannigfaltig. Wir zählen mal ein paar auf. Zunächst mal hat der Amiga geholfen, gemeinsam mit dem ST und viel mehr noch als der Macintosh, der viel zu teuer war, die mausgesteuerte grafische Oberfläche, also das GUI, zu etablieren, auch im Preiseinstiegsbereich. Der hatte ja sogar eine Zwei-Tasten-Maus, anders als der Mac. Also in der Hinsicht war er viel besser. Und damit hat er vielen Menschen Zugang zu dieser neuen Technik verschafft, den der Computer vorher zu kryptisch, zu fremdartig, zu schwer zu bedienen war. Das ist ein großes Verdienst, abseits seiner Multimediatauglichkeit.
Henner:
[1:13:32] Ebenso etabliert hat er das Multitasking und dadurch hat er die Art verändert, wie wir heute mit dem Computer arbeiten. Das ist ja für uns heute selbstverständlich, dass man zum Beispiel etwas ausdrucken und gleichzeitig dabei weiterarbeiten kann. Aber das war es nicht immer. Und dazu hören wir mal kurz etwas vielleicht Überraschendes für diese Folge. Ein Werbespot für das Betriebssystem OS2, in dem genau damit geworben wird, wenn ihr OS2 benutzt, könnt ihr gleichzeitig drucken und gleichzeitig weiterarbeiten. Hören wir kurz rein.
Henner:
[1:14:12] Ja Gunnar, weißt du, wann dieser Werbespot rausgekommen ist?
Gunnar:
[1:14:15] Na sag.
Henner:
[1:14:15] Das war 1994. Warum konnten die selbst 1994 noch damit werben, dass sowas möglich ist? Weil damals Windows 3.11 noch aktuell war. Und damit war es halt nach wie vor nicht möglich, ein Dokument zu drucken und gleichzeitig weiterzuarbeiten. Oder nur mit sehr starken Einschränkungen. Und auf dem Amiga ging das schon seit vielen Jahren, seit 1985. Und das ist mal eine Ansage. Gleichzeitiges Drucken und Weiterarbeiten. Also was hätte die Volkswirtschaft, die globale Volkswirtschaft an zusätzlichen Gewinnen machen können, wenn alle Menschen gleichzeitig weitergearbeitet hätten beim Drucken?
Gunnar:
[1:14:52] Der Amiga war auch der erste Multimedia-Computer. Schon vor ihm konnten Computer natürlich mit Bildern und Klängen umgehen. Aber der Amiga hatte diese hochauflösende farbreiche Grafik, den PCM-Sound. Und das zusammen war nicht nur ein quantitativer Sprung, sondern ein qualitativer Sprung. Beispiel los zu dieser Zeit. Der konnte visuelle und akustische Eindrücke der Echtwelt abbilden, konnte sie verarbeiten, mit digitalen Elementen vermengen und baute dadurch diese Brücke zwischen der virtuellen und der physischen Sphäre, zwischen digitaler Kunst und analoger Kunst und hat damit, und das ist nicht zu hoch gegriffen, die Weise verändert, wie wir das Medium Computer begreifen.
Henner:
[1:15:31] Ja und als solch ein Gerät, als Multimedia-Computer, war der Amiga eine Plattform für Künstler und für Musiker und für Hobbyentwickler. Der IBM PC war für Büroanwendungen gedacht und der Mac für Desktop-Publishing und der Amiga für digitale Künstler. Und so half er, Künstler und Künstlerinnen zu ermächtigen und jeden Hobbyisten zu Künstlern zu machen. Der hat jedem erlaubt, Fotos zu bearbeiten oder 3D-Grafik zu rendern, animierte Filme zu erstellen, Musik selbst zu komponieren, Spiele zu entwickeln und so weiter. Und so hat er in gewisser Weise geholfen, digitale Kreativarbeit zu demokratisieren. Und wenn man es noch etwas höher aufhängt, kann man sagen, er hat uns gezeigt, dass Technologie ein Werkzeug für den Ausdruck sein kann und nicht nur für die Arbeit oder den Konsum. Und all das, was wir gerade aufgezählt haben, das mögen andere Systeme später stärker verbreitet haben als der Amiga selbst, insbesondere natürlich der IBM PC. Aber der Amiga war der Pionier hier, der war der Visionsträger für eine multimediale Zukunft. Und, naja, das haben wir das ein oder andere Mal auch schon anklingen lassen, er war ja eine durchaus brauchbare Spieleplattform.
Henner:
[1:16:48] Und jetzt, nach all diesen Stunden, Gunnar, ist es Zeit, dass wir mal über Spiele sprechen.
Gunnar:
[1:16:53] Ja, der Amiga bleibt uns natürlich, also mir speziell, auch am meisten in Erinnerung wegen der Spiele, die ich darauf gespielt habe. Aber wie viele Spiele gab es eigentlich und wann sind die erschienen und was waren die besten Spiele? Wir hatten ja gesagt, die Spieleentwicklung für den Amiga ist erst langsam in Schwung geraten. Das gab diesen zögerlichen Anfang. 85, 86 und 87 ging es dann so richtig los. Der Höhepunkt ist im Jahr 1990 erreicht. In dem Jahr erscheinen auch über 500 Spiele. fast so viele wie für DOS. Und danach flaut das Angebot dann langsam ab. In den 80er Jahren sind die meisten Amiga-Spiele Portierungen. Die hochkarätigen Exklusivtitel, die erscheinen in der Tendenz in den frühen 90er Jahren. Ab 95, da ist ja Commodore dann schon insolvent, da geht die Zahl neuer Amiga-Spiele krass zurück. 1997 ist sie nur noch zweistellig. Und das auch nur, wenn man die Titel aus der Public Domain mitzählt. Zu den letzten großen Amiga-Titeln gehören müsst von 97. Und 1998 die nachgeschobene Quake-Umsetzung für den 1200er und den 4000er. Der letzte nennenswerte Titel außerhalb der Homebrew-Community ist The Wipeout XL von 1999.
Gunnar:
[1:18:07] Ich möchte da kurz aus eigener Anschauung das unterstützen. Ich habe ja zu der Zeit im Spieleladen gearbeitet, in den späten 90ern noch. Wir hatten eine Wand mit Amiga-Spielen und die war immer unverändert. Da ist nie was passiert. Die Spiele mussten ständig abgestaubt werden, weil die natürlich gealtert sind. Aber da wurde nie was verkauft. Außer Bing, der Krankenhaus-Simulation. Die ging immer mal. Die haben wir dann hin und wieder nachbestellt. Da wurde dann so eins pro Woche verkauft. Alles andere lag wie Blei in den Regalen. Insgesamt sind für den Amiga, je nach Datenbank, etwa 3.500 bis 3.800 kommerzielle Spiele erschienen. Die späteren Homebrew-Veröffentlichungen sind in dieser Rechnung nicht mit drin. Damit liegt der Amiga deutlich vor seinen 16-Bit-Konkurrenten wie dem Atari ST mit 2.500 Spielen, dem Super Nintendo mit 1.200 und dem Mega Drive mit 1.000. Und die meisten davon laufen auch auf dem Urchipsatz, brauchen aber in der Regel mindestens die 512-KB-Speicher des Amiga 500. Einige spätere Spiele profitieren dann noch von größeren Speichermengen oder brauchen wie Quake den AGA-Chipsatz, der immerhin dann noch von 300 kommerziell veröffentlichten Spielen unterstützt wird.
Henner:
[1:19:23] Ja, aber genug von der Statistik. Jetzt kommen wir zu den besten Spielen. Was sind denn die absolut objektiv besten Spiele für den Amiga über alle Generationen hinweg? Das habe ich ermittelt durch Auswertung von verschiedenen anderen Bestenlisten, wie ich es damals beim C64 auch schon gemacht habe. 50 Listen habe ich zusammengeführt in einer großen Excel-Tabelle, die Christian stolz machen würde. Und dabei habe ich nur jeweils die ersten zehn Ränge beachtet. Darunter sind verschiedene Listen von Redaktionen wie Amiga Action oder Amiga Power oder Nutzer-Rankings von Datenbanken wie Lemon Amiga oder Mobi Games. Und ich habe auch Branchenveteranen und geschätzte Podcast-Kollegen gefragt nach ihren persönlichen Top Ten mit Ranking, also mit Run-Folge. Darunter sind Patrick Becher vom Retro-Kompott. Paul Kautz von Game Not Over, Ben und Daniel und Hardy von den Nerdwelten.
Henner:
[1:20:19] Marius und Fabian und Ringo und Tim von Down to the Detail, Heinrich Lehnhardt von Pixel Kino und den Spiele-Veteranen, Steffen und Armin von den Spiele-Archäologen, Heiko Klinge von einem Magazin namens GameStar, Winnie Forster vom Gameplan Verlag, Anatol Locker und natürlich Gunnar, kennst du, und Fabian. Gunnar, zu deinem Top-Spiel, das du genannt hast, an erster Stelle deiner Top-Ten, kommen wir gleich noch bei der Gesamtauswertung. Ich selbst, nur der Vollständigkeit halber, ich habe keine eigene Bestenliste erstellt, weil ich ja damals nur auf dem ST gespielt habe und nur bei meinem Freund Malte ab und zu mal über die Schulter gucken konnte. Aber wenn ich jetzt eins nennen müsste, dann wäre das Pirates. Das war mein Lieblingsspiel auf dem ST und das gab es natürlich auch auf dem Amiga. Und meine Güte sah das viel besser aus auf dem Amiga. Aber davon reden wir jetzt nicht, denn Pirates spielt in dieser Top-Liste keine weitere Rolle aus irgendwelchen Gründen. Ich habe das folgendermaßen ausgewertet. Für den Spitzenplatz so einer persönlichen oder redaktionellen Top-Ten-Liste gibt es 10 Punkte.
Henner:
[1:21:23] Für Platz 2 9 Punkte und so weiter. Und daraus ergibt sich ein Gesamtranking, wobei ich ein bisschen geschummelt habe. Ich habe jede Spiele-Serie nur mit ihrem jeweils populärsten Teil auftreten lassen. Also wenn mal Kick-Off genannt wird und mal Kick-Off 2, dann habe ich die zusammengezählt und in der Liste taucht dann nur der populärere Teil auf. In dem Fall Kick-Off 2, weil der häufiger genannt wird als der erste. Der erbt dann quasi die Punkte von Kick-Off 1. Und Homebrew-Spiele habe ich außen vor gelassen. Die sind zu gut, das zählt nicht.
Henner:
[1:21:56] Gunnar, wenn du die Liste der Top 10, die wir gleich im Schnelldurchlauf vorstellen wollen, betrachtest, was fällt dir dabei auf? Fällt dir überhaupt irgendwas dabei auf?
Gunnar:
[1:22:05] Überrascht mich jetzt ein bisschen die Frage, aber das ist doch eine sehr vernünftige Liste. Kein Spiel aus den 80ern dabei, es sind alles späte Spiele.
Henner:
[1:22:14] Richtig, das wollte ich sagen, es sind alles Spiele aus den 90ern, mehr als fünf Jahre nach dem Start der Plattform. Das ist ein wiederkehrendes Muster, das war beim C64 auch schon so und beim Atari 400, 800, dass die besten Spiele rund um die Fünfjahresgrenze rauskamen. Also nach fünf Jahren haben die Entwickler das System verstanden. Es fällt aber noch was auf, nämlich bis auf ein Spiel sind das alles europäische Titel. Und das sehen wir ja nicht oft, dass eine Plattform so europa-dominiert ist.
Gunnar:
[1:22:42] Ja, aber der Amiga hat ja wirklich hier in Europa alles weggerockt und in Amerika war er halt nur unter Ferner liefen. Das ist halt schon sehr eine europäische Plattform in der Wahrnehmung.
Henner:
[1:22:54] Genau, aber das wird hier nochmal bestätigt. Und jetzt kommen wir endlich zum Ranking. Wir gehen von 10 immer weiter rauf, bis schließlich Platz 1 erreicht ist und damit das offiziell beste Amiga-Spiel aller Zeiten gekürt ist. Möchtest du anfangen mit Platz 10?
Gunnar:
[1:23:10] Ja, Platz 10 ist ein Titel, der würdig ist, aber ich habe ihn in meiner Hitliste nicht gehabt. Das ist Lotus Turbo Challenge 2 von 1991.
Henner:
[1:23:21] Das war super. Platz 9 habe ich auch nie selbst gespielt, soll aber super sein. Das ist ein Top-Down-Shooter von den Bitmap Brothers, The Chaos Engine von 1993.
Gunnar:
[1:23:31] Fantastisches Spiel. Ebenso wie Platz 8, das ist Worms von 1995. Dazu gibt es auch eine Stay Forever-Folge.
Henner:
[1:23:38] Ja, das gilt auch für Platz 7. Die Siedler von 93 wissen vielleicht nicht alle, das erschien zuerst auf dem Amiga, genau wie Worms.
Gunnar:
[1:23:47] Auf Platz 6 ist nun ein Spiel, wo diese Mechanik greift, die du erzählt hast, das erbt auch die Stimmen seines Vorgängers. Turrican 2, The Final Fight von 1991. Zu Teil 1 gibt es immerhin eine Stay Forever-Folge.
Henner:
[1:24:00] Ja, Turrican 2 wird übrigens auch von Braybrook mir gegenüber genannt als sein persönliches Lieblingsspiel. Ein deutsches.
Henner:
[1:24:07] Platz 5 ist Cannon Fodder von 93. Echtzeit-Taktik-Action-Mischung. Sehr hübsch, schwarzer Humor. Auch zuerst auf dem Amiga rausgekommen.
Gunnar:
[1:24:16] Cannon Fodder ist so ein Spiel, da musste dabei gewesen sein, sag ich immer.
Henner:
[1:24:20] Okay.
Gunnar:
[1:24:21] Auf Platz 4 ein persönlicher Favorit von uns beiden. Speedball 2 Brutal Deluxe von 1990. Da fehlt die Stay-Forever-Folge. Christian, hörste, das müssen wir mal machen.
Henner:
[1:24:33] Unbedingt. Ice Cream und so. Also Platz drei, dazu habt ihr schon eine Folge gemacht, Sensible World of Soccer, das erbt diverse Stimmen des Vorgängers Sensible Soccer oder auch einiger Nachfolger, die da noch rausgekommen sind. Ein Fußballspiel, sehr actionreich, aber auch mit Manager-Modus. Kam zuerst auf dem Amiga raus, wird bis heute gespielt.
Gunnar:
[1:24:53] Auf Platz 2 ist ein Spiel, das nur portiert worden ist. The Secret of Monkey Island von 1991. Dazu gibt es selbstverständlich auch eine Stay Forever-Folge. Und das ist auch in meiner persönlichen Top 10 auf Platz 1. Das erschien aber zuerst für DOS. Ich habe es natürlich zuerst auf dem Amiga gespielt, weil DOS, bitte, 1991, hat man sowas noch nicht gehabt.
Henner:
[1:25:14] Jetzt aber Platz 1, das beste Amiga-Spiel überhaupt. Das erschien wieder zuerst auf dem Amiga. Und auch dazu gibt es eine Stay Forever Folge und wenn ihr noch nicht erraten habt, was es ist, dann vielleicht jetzt, wenn wir mal kurz reinhören. Ja, das ist unverkennbar, oder? Das ist natürlich Lemmings von 1991. Echtzeit-Puzzle mit kleinen, doofen Lemmingen, die gerettet werden wollen. Das ist jetzt nicht unbedingt ein technischer Vorzeigetitel für die Multimedia-Maschine Amiga, aber hier wie dort wunderbares Spiel.
Gunnar:
[1:26:09] Ja, und mit dieser wertvollen Erkenntnis, welches das beste Amiga-Spiel aller Zeiten war, entlassen wir euch jetzt aus den Amiga-Festspielen. Wir hoffen, wir konnten euch diese sensationelle Spielplattform in all ihrer Größe, Glorie und Tragik ein bisschen näher bringen.
Henner:
[1:26:29] Meinst du, die Zeit hat gereicht dafür, ja?
Gunnar:
[1:26:31] Wir hoffen’s.
Henner:
[1:26:32] Ja, wenn nicht, dann gibt es ja noch einen Nachschlag, denn bei Zeiten wird es für Unterstützerinnen und Unterstützer noch eine Trivia-Bonus-Folge geben. Da sprechen wir wieder über ein paar Spiele. Ich habe ja auch noch ein Schachspiel auf dem Amiga ausprobiert, wie immer, wie es die Tradition verlangt. Darüber müssen wir reden, unbedingt. Und dann auch noch über weitere Themen, über Amiga-Prototypen, über Easter Eggs, über die Guru-Meditation, über den 500 Mini und diverse andere Themen. Ich freue mich drauf.
Gunnar:
[1:26:59] Genau, ich mich auch. Vielen Dank euch fürs Zuhören. Vielen Dank, Henner, für die ganze Arbeit rund um diese Folgen. Und bis zum nächsten Mal.
Henner:
[1:27:09] Bis dahin.
Schön, dass die Reihe jetzt komplett ist.
Kleine Anregung: Wenn ihr Themen produziert, wo von Anfang an klar ist, wie viele Folgen es werden, markiert das bitte von Anfang an.
So etwas wie „Der Amiga (SFT 19 1/3)“.
Aus den Beschreibungen der ersten beiden Teile konnte ich leider nicht ableiten, wie viele Folgen es insgesamt werden, und da ich kein Fan der Episodensplittung bin und die Themen gerne am Stück durchhöre, ist es sehr hilfreich zu wissen, wie viele Folgen ein Thema umfasst.
Gleiches Problem auch hier auf der Podcast Addict-Seite. Kapitel sind da, Folge ist super zum hören. Nur die Bilder fehlen.
Auch hier das gleiche Problem (Android, Podcast Republic)
Bei mir funktionieren die Kapitelbilder in Folge 19.3 auch nicht. Bei der Folge 19.2 geht alles. Der It Came From The Desert Reupload funktioniert auch.
Ich benutze Overcast auf dem iPhone.
Hoster hat das manuell behoben, sagen sie. Stream refreshen oder runter geladene Folge neu laden.