Henner:
[0:00] Hallo, liebe Hörerinnen und Hörer und moin Gunnar.
Gunnar:
[0:02] Tag, Henner.
Henner:
[0:03] Tag, Gunnar, wenn ich Ice Cream rufe, woran denkst du dann?
Gunnar:
[0:08] Du hast mich gar nicht vorgewarnt, dann denke ich an Eis.
Henner:
[0:12] Im Ernst?
Gunnar:
[0:13] Ja.
Henner:
[0:13] Okay, ich hätte gedacht, du sagst sofort Speedball 2.
Gunnar:
[0:18] Ach stimmt, bei Speedball 2. Das ist eins meiner Lieblingsspiele, hast du richtig erkannt, aber ich hatte den Ice Cream-Schrei vergessen, das stimmt.
Einspieler:
[0:24] Ice Cream, Ice Cream.
Henner:
[0:28] Sowas, wie konntest du das vergessen? Das war das Einzige, was ich noch wusste vom Amiga.
Gunnar:
[0:32] Eins der Probleme mit meinen alten Favoritenspielen ist nämlich, dass ich dann denke, ah, das könntest du mal wieder spielen. Und dann denke ich, nee, lass mal aufsparen. Ich werde mich gegen Christian schon durchsetzen. Da machen wir bestimmt bald eine Folge drüber. Besser mal die Eindrücke frisch halten für die Folge.
Henner:
[0:46] Ja, das ist ganz weise.
Gunnar:
[0:48] Ja, und deswegen spiele ich viel von den alten Favoriten, die ich gerne mal so spielen würde, einfach so, um sie wieder aufzufrischen. Nicht, weil ich immer denke, dann machen wir bestimmt eine Folge zu. Machen wir dann doch oft nicht.
Henner:
[0:56] Ja, aber zu Speedball 2 macht ihr die ganz bestimmt. Speedball 2 ist ja wirklich einer der ganz wichtigen Titel auf dem Commodore Amiga. Und es ist, wie gesagt, meine wichtigste, meine prägendste Erinnerung an den Commodore Amiga, über den wir heute sprechen wollen.
Henner:
[1:10] Ich hatte ja damals selbst keinen, aber ein Freund hatte einen. Und bei diesem Freund haben wir zusammen gerne Speedball 2 gespielt. Bei mir auch, wenn er bei mir zu Besuch war, aber ich hatte ja nur ein Atari ST. Und bei mir war dieses Ice Cream Sample, was da zu hören ist in Speedball 2, berühmterweise nicht zu hören. Also der Atari ST hat das einfach ausgespart, der Amiga hat’s abgespielt. Und das fand ich damals schon unverschämt und hab’s nicht verstanden, warum ist dieses Spiel auf dem Amiga so viel cooler als auf meinem ST? Und das sagt schon eine Menge über diese Plattform, über die wir sprechen wollen. Spiele waren auf dem Amiga einfach immer ein bisschen besser als anderswo. Oder wie ist deine Erinnerung?
Gunnar:
[1:51] Na, meine Erinnerung ist auch so. Ich habe die Amiga-Phase sehr intensiv mitgenommen. Nach der C64-Phase habe ich eine ganze Zeit lang den Amiga gehabt, bestimmt drei Jahre als Hauptgerät. Also hatte zu dem Zeitpunkt keine Konsole und auch sonst kein Spielgerät, vor allen Dingen auch keinen PC und habe dann erst einen PC gekauft wegen…
Henner:
[2:10] Doom?
Gunnar:
[2:11] Ja, genau, wegen Doom. Wie alle anderen auch, habe ich den PC wegen Doom gekauft und dann habe ich den Amiga über das nächste Jahr hinweg, wie man das so sagt, ausgeschlichen. Also immer nur noch ein bisschen benutzt und irgendwann dann verkauft. Ich hätte ihn mal behalten sollen, nicht doof, aber egal. Musste ich mir jetzt neulich, letztes Jahr einen neuen kaufen, weil ich keinen mehr hatte.
Henner:
[2:30] Ja, ich auch.
Gunnar:
[2:31] Ja, so ist das halt, ey. Aber in der Zeit habe ich ihn richtig intensiv benutzt, mit allem drum und dran, mit Drucker für die Uni und Textverarbeitung und so Zeug. Das war halt einfach mein Rechner damals.
Henner:
[2:40] Du hast gearbeitet sogar am Amiga?
Gunnar:
[2:42] Ja, was man halt in der Uni arbeiten nennt. Und ich habe auch noch eine ganze Weile damit weitergearbeitet, während ich auf dem PC schon Doom gespielt habe, bis mir aufgefallen ist, der kann ja auch noch andere Sachen der PC. Das ist ja gar keine reine Spielemaschine. Das ist ja gar keine reine Doom-Maschine.
Henner:
[2:57] Naja, zeitweise war es schon.
Gunnar:
[2:58] Und ich habe die ganzen Sachen mitgenommen da, die ganzen bekannten Amiga-Spiele. Auch wenn ich mich offenkundig nicht mehr an alle so gut erinnere. Aber ich habe nie so richtig verglichen. Eigentlich hatten die Leute, mit denen ich gespielt habe, hatten alle auch ein Amiga. Also insofern waren wir alle gleich cool.
Henner:
[3:12] Ah, okay. In meinem Freundeskreis hatten die meisten einen C64 oder einen ST und da war der Amiga einfach deutlich besser. Das musste ich neidlos, nein, neidlos nicht, ich war voller Neid, aber ich musste das auf jeden Fall anerkennen. Ja, und über den Amiga wollen wir heute endlich mal sprechen. Man könnte meinen, das wäre unsere dritte Commodore-Folge bei Stay Forever Technik, denn wir haben ja schon den VC20 behandelt und damit auch die Entstehungsgeschichte oder die Gründungsgeschichte von Commodore und dann den C64. Aber ich würde sagen, Gunnar, eigentlich in gewisser Weise zumindest, ist das hier nach den Folgen zum VCS und zu den 8-Bit-Computern eigentlich eher die dritte Folge in unserer Atari-Reihe. Und weniger die dritte Folge in der Commodore-Reihe. Wieso? Dazu kommen wir gleich noch.
Gunnar:
[3:57] Oh, das ist ja ein Hot-Take. Das kommt ja ganz von unten. Aber okay, da stecken wir mal eine Nadel rein, wie Christian immer sagt, und halten diesen Gedanken mal fest, wenn wir jetzt durch die Entstehungsgeschichte des Amiga gehen.
Henner:
[4:10] Genau, der kam 1985 raus, da hatten die wenigsten von uns einen, da war er auch noch nicht wirklich eine Spielemaschine und man kann sagen, das ist eigentlich etwas für die Einschätzung ganz am Ende, aber man kann das jetzt schon mal sagen, der hat den Computer oder die Gerätegattung des persönlichen Computers erst richtig multimedial gemacht. Multimedia war vorher gar kein Thema. Der hat dem PC erstmal beigebracht, überhaupt mit sowas wie Grafik umzugehen oder mit digitalen Fotos, mit gesampelten Klängen, also mit richtigen Realgeräuschen, sogar mit Videos etwas später. Das ist also viel mehr als eine reine Spielemaschine, auch wenn die meisten von uns eben darauf gespielt haben. Mit Ausnahme von dir, wie ich gerade erfahren habe, du hast ja darauf gearbeitet. Aber wie viel Multimedia du gemacht hast, das kannst du ja dann nachher nochmal erzählen. Ja und so läutet dieser Amiga 85 ein neues Kapitel ein in der Computergeschichte und in der Mediengeschichte, aber leider auch das letzte Kapitel seines Herstellers, des Heimcomputergiganten Commodore. Aber sein Ursprung hat dieser Amiga gar nicht bei Commodore. Der ist kein Eigengewächs, keine konsequente Weiterentwicklung des C64, wenn man das annehmen könnte, sondern der entsteht eigentlich anderswo und seine Wurzeln liegen beim argen Konkurrenten von Commodore bei Atari.
Henner:
[5:28] Zu Atari haben wir ja nun schon zwei Folgen gemacht, daher nur nochmal ganz schnell im Schweinsgalopp durch.
Henner:
[5:35] 1977, da gab es Atari schon eine Weile, da hat Atari mit dem VCS, also dem Video Computer System, später bekannt als Atari 2600, quasi den modernen Videospielemarkt erst begründet. Es gab vorher schon Konsolen, aber das VCS war die erste wirklich relevante, erfolgreiche Heimkonsole, die auf einem Mikroprozessor basiert und das war ein simpler 8-Bit-Prozessor, aber dadurch war die Konsole frei programmierbar und dadurch war sie nicht beschränkt auf ein paar fest verdrahtete, fest eingebaute Spiele, sondern man konnte verschiedene Spielmodule, also Programme einstecken und das war nicht ganz neu. Es war also nicht die erste CPU-basierte Konsole, aber eben die erste wirklich relevante.
Henner:
[6:15] Und darüber hinaus war sie für ihre Zeit, für die 70er Jahre, sehr fortschrittlich. Die hat sehr schnelle, flexible Sprite-Grafik unterstützt und konnte 128 Farben darstellen. Das ist sagenhaft. Das haben viele Heimcomputer der 80er Jahre nicht hinbekommen. C64 konnte auch nur 16 Farben. Und ja, im langen Leben dieser Konsole, die bis in die 90er Jahre hinein gebaut wurde, haben die Entwickler und Entwicklerinnen jedoch erstaunlich komplexe Spiele entlockt mit einem Verfahren, das bekannt wurde als Racing the Beam. Das haben wir in der VCS-Folge auch genauer beschrieben.
Henner:
[6:51] Nur kurz gesagt, Racing the Beam bedeutet, dass ein Programm der Konsole für jede einzelne Bildzeile, die auf den Fernseher gemalt wird, neue Befehle übermittelt. Und so noch während das Bild überhaupt berechnet und aufgebaut und auf den Fernseher gemalt wird, das Spielgeschehen schon wieder verändert. Und auf diese Weise konnte der mit nur 128-Byte-Arbeitsspeicher, das ist doch recht begrenzt, konnten da sehr komplexe Spiele drauf abgespielt werden, für die die Konsole ursprünglich gar nicht vorgesehen war. Und das ist möglich, nicht so sehr wegen dieser 8-Bit-CPU, die ist nämlich wirklich
Henner:
[7:23] sehr schwach, sondern hauptverantwortlich dafür, dass auf dieser Konsole so viel möglich war, war ein Chip, ein Video-Chip, der Television Interface Adapter, TIA, das Herzstück der Konsole. Und für den wiederum verantwortlich sind zwei Herren, die uns heute wieder begegnen werden, die für diese Geschichte sehr relevant sind. Das sind der Ingenieur Joe DeCure und sein damaliger Mentor, ein anderer Ingenieur namens Jay Miner.
Henner:
[7:48] Die beiden haben also diesen Videochip entworfen und damit der Konsole zum Erfolg verholfen.
Henner:
[7:55] Und nachdem sie fertig waren mit der Entwicklung dieses Chips, also noch im Jahr 1977, bevor das VCS auf dem Markt war, haben sie begonnen, an einem Nachfolgechip zu arbeiten und ein Nachfolgesystem zu planen. Das kam dann auch raus, aber das war keine neue Konsole, das war kein vergleichbares Gerät, kein VCS 2 oder so, sondern was dann rauskam 1979 bei Atari, war ein Hybrid-System, eine Mischung aus Konsole und Heimcomputer. Also ein Gerät, das schon für Spiele optimiert war und auch ein Modulschacht hatte, dass man also weiterhin, wie von der Konsole gewohnt, Spielmodule reinstecken konnte.
Henner:
[8:29] Aber es gab auch eine eingebaute Tastatur und es gab einen Anschluss für externe Laufwerke, wie bei einem richtigen Computer. Und so haben die beiden Modelle, die auf dieser Basis rauskamen im Jahr 79, der Atari 400 und der Atari 800 auch den gerade aufgekommenen PC-Markt bedient. Und wieder einmal, genau wie beim VCS zuvor, sind das die grafisch leistungsfähigsten Systeme ihrer Zeit. Und wieder ist dafür nicht so sehr die CPU verantwortlich. Das ist nämlich weitgehend dieselbe noch wie im VCS, sondern der Grafikchipsatz. Ein sehr hochentwickelter, sehr fortschrittlicher und sehr flexibler Chipsatz, der jetzt allerdings aus drei spezialisierten Chips besteht. Geht aus dem Antic für die Bildschirmdarstellung, aus dem CTR, der kümmert sich um Farben und die Sprites. Und Pokey, der kümmert sich um Soundausgabe und Tastatureingaben. Und auch das können wir mal im Hinterkopf behalten. Ein Chipsatz aus drei Chips, die gemeinsam die CPU unterstützen und entlasten. Das ist nämlich ein Aufbau, der uns nochmal wieder begegnen wird.
Gunnar:
[9:27] So, jetzt gibt es aber eine kleine Zäsur. 1979 übernimmt bei Atari ein neuer CEO. Und das ist der berühmte und vielgeschmähte Ray Kassar. Der kommt aus der Modebranche, der versteht nicht so viel von Computern und Videospielen, ist auch nicht so in der Tiefe an der Technologie interessiert und er verkennt die Bedeutung von konstanter Weiterentwicklung, die in der IT notwendig ist. Zumindest mal zu dieser Zeit, wo alle Sachen noch nicht so ausdefiniert sind, wo man sich erst noch finden muss mit vielen Technologien. Der schließt die ganze Entwicklungsabteilung, der ändert die Ausrichtung der Firma und statt Technik und Innovation gilt jetzt das, was das Marketing sagt. Und Atari hat aber explosives Wachstum, sieht alles super aus. Sie haben zu kräftige Lizenzspiele, Space Invaders aus dem Jahr 1980.
Gunnar:
[10:13] Die treiben das VCS zu immer neuen Abseitsrekorden. Und die Unternehmensführung, also Kassar und sein engster Zirkel, glauben, dass dieser Trend auch ohne diese teure Forschung und diese Entwicklung machbar ist, dass man den auch fortsetzen kann.
Gunnar:
[10:28] Atari gehört mittlerweile zum gigantischen Medienkonzern Warner und der nimmt wohl an, dass so eine Konsole so ein bisschen funktioniert wie so ein Plattenspieler. Ja, das ist halt so eine Basis und da kann man alle naselangen neue Inhalte drauflegen, aber man muss doch den Plattenspieler nun wirklich nicht alle paar Jahre austauschen. Ja. Und wenn ihn die Ingenieure ansprechen, um eine neue Generation von Computern nach dem Atari 400, 800 zu bauen oder zu entwickeln, dann erteilt der Kassar denen eine Absage.
Gunnar:
[10:59] Und auch so erwischt es dem schon genannten Miner und Decure. Die skizzieren bereits 1979, als Kassar überhaupt gerade erst angetreten ist, einen neuen High-Power-Entertainment-Computer, wie das der Decure an seinem letzten Arbeitstag in sein Notiz-Helf geschrieben hat. Einen spieletauglichen Rechner auf der Basis eines neuen 16-Bit-Prozessors. Und zwar so einem wie dem im gleichen Jahr eingeführten Motorola 68000 oder dem Zylog Z8000. Und das ist die Grundidee des Amiga sechs Jahre bevor es einen Amiga geben wird. Und Miner hat in einem Interview 1988 gesagt, das war der perfekte Zeitpunkt. Sie hätten gegen niemanden antreten müssen außer gegen Apple. Der IBM-PC ist in diesem Gebiet noch nicht unterwegs. Und das Atari-Management hat aber abgelehnt.
Gunnar:
[11:49] Atari war an nichts Neuem interessiert. Atari hat eine Menge dummer Fehler gemacht, sagt Meiner. Und Decuir sagte zu dir im Interview, die haben mir überhaupt nicht zugehört.
Henner:
[11:59] Die wollten nichts wissen von neuer Hardware. Das kostet ja nur Geld. Und da muss man auch noch neue Spiele dafür entwickeln. Das kostet alles viel Zeit und Geld und Marketingaufwand. Nee, nee, das lassen wir mal. Wir machen weiter mit dem VCS. Das ist ja erfolgreich und das wird ewig so weitergehen, glaubt man, in der Atari-Führung. Das wird ihnen noch auf die Füße fallen. Aber so weit sind wir noch nicht. Jetzt sind wir noch im Jahr 1979. The Cure und Miner sind also auf taube Ohren gestoßen bei der Unternehmensführung und so verlassen sie Atari. Es gibt unterschiedliche Angaben darüber in der Literatur, warum sie jetzt genau gegangen sind. Aber es gibt wohl mehrere Gründe. Also, The Cure hat zu mir gesagt, das sei vor allem passiert wegen der technischen Ahnungslosigkeit. Cassars, sie sind halt Ingenieure, sie wollen was Neues entwickeln, aber das dürfen sie dort nicht. Aber das ist nicht der einzige Grund, sondern es bleiben damals auch Bonuszahlungen aus. Also, den Ingenieuren wurden verschiedene Boni versprochen, wie auch den Spieleentwicklern bei Atari. Aber all das wurde nie bezahlt. Und so fühlen sich die Entwicklerinnen und Entwickler natürlich nicht wertgeschätzt.
Henner:
[13:00] Und einer nach dem anderen verlassen sie Atari. Die Cure gründet daraufhin ein eigenes kleines Unternehmen, während Miner eine völlig andere Branche wechselt in die Medizintechnik. Der wird jetzt allerdings nicht Zahnarztbohrer entwickeln oder sowas, sondern der arbeitet weiterhin an Mikrochips. Der arbeitet für ein Starjob namens Zymos, mit Z geschrieben, Herzschrittmacher auf der Basis von Mikrochips. Und der hat damit durchaus Erfolg und ist damit dem Vernehmen nach auch ganz zufrieden und arbeitet dort in den nächsten Jahren leise vor sich hin.
Henner:
[13:31] Aber DeCure und Miner sind nicht die einzigen, die Atari verlassen, sondern das trifft auch andere Ingenieure. Zum Beispiel der Entwickler des Pokechips. Das ist, wir haben es ja gerade erwähnt, der Sound- und Tastatur-Controller-Chip im Atari 400-800, also in den 8-Bit-Computern von Atari, die im Jahr 79 rauskommen.
Henner:
[13:49] Der heißt Doug Neubauer. Und auch der geht und, wie gesagt, auch viele Spieleentwickler betrifft das.
Henner:
[13:56] Atari ist damals ja noch ein großer First-Party-Entwickler. Also die meisten Spiele, die für die Atari-Konsole rauskommen, kommen auch von Atari selbst. Und diese Leute, die gehen jetzt aber auch. Also es gibt miserable Arbeitsbedingungen, fehlende Anerkennung. Auch bei den Spieleentwicklern werden keine Boni bezahlt. Die sind allesamt unterbezahlt, Obwohl ihre Spiele Millionen umsetzen, kriegen die kaum etwas davon ab, diese Entwickler. Und Kassar beschimpft seine eigenen Spieleentwickler auch als verwöhnte Gören an einer Stelle. Also der verkennt vollkommen, wie wichtig ein Spieldesigner ist. Für den sind das Fließbandarbeiter und nicht mehr. Und unter den Spieleentwicklern, die Atari jetzt verlassen, ist ein Herr namens Larry Kaplan, der war vorher mitverantwortlich für das Betriebssystem im Atari 400-800, das ist also ein fähiger Programmierer und ein Spieleentwickler und der ist ebenfalls einer der Befürworter für eine neue Konsole, für eine Konsole der neuen Generation mit 16-Bit-Technik. Der hat auch so etwas vorgeschlagen, nicht selbst ausgearbeitet, aber dafür plädiert, dass Atari doch bitte jetzt mal eine 16-Bit-Konsole entwickeln sollte, weil die 8-Bit-Technik langsam in die Jahre kommt. Aber der stößt dabei eben auch auf taube Ohren, der hat keine Lust mehr für Atari zu entwickeln und gründet daraufhin noch im Jahr 79 gemeinsam mit drei weiteren ehemaligen Kollegen eine kleine Firma namens Activision und das ist ja der erste wirklich relevante Third-Party-Entwickler. Ich glaube, zu dem habt ihr auch schon mal eine Folge gemacht, oder? Zur Entstehungsgeschichte von Activision, in der Folge zu Pitfall wahrscheinlich.
Gunnar:
[15:26] In der Folge zu Pitfall, genau, haben wir das ausführlicher besprochen, genau.
Henner:
[15:30] Die verlassen also alle Atari noch in den 70ern und in den frühen 80ern Folgen weiter und Atari bleibt aber auf diesem Kurs. Wir springen nun mal ganz kurz in die Zukunft. Im Jahr 84 bringt Atari dann doch noch eine neue Konsole, aber es ist immer noch 8-Bit-Technik. Die wird auch extern entwickelt, weil es kaum noch interne Entwickler gibt bei Atari. Das ist das Atari 5200 und die floppt total. Aber zu dieser Zeit wird die ursprüngliche Vision von Miner und DeCure und Kaplan und den anderen, also einer 16-Bit-Konsole, anderswo Realität, außerhalb von Atari. Ja, und das ist die Geschichte, die uns jetzt langsam mal zum Amiga führen wird.
Gunnar:
[16:09] So, und jetzt geht’s weiter mit dem Kaplan. Der ist im Jahr 1982 bei Activision schon wieder gelangweilt. Das müssen so ereignisreiche Jahre gewesen sein zu der Zeit, was da alles abgegangen ist. Dann hat er genug davon für den alten VCS zu entwickeln. Er will lieber direkt gleich an Hardware arbeiten. Und in einem Interview hat er erzählt, sehr viel später dann, er habe im Juni 1982 einen Prototyp des Nintendo Famicom auf der CES gesehen und geglaubt, das könne man doch übertreffen. Und die Geschichte kann so nicht stimmen. Die ersten Famicom-Prototypen, die gab es ja wohl erst im Oktober, dass die im Juni auf der CES gezeigt worden sind, ist wohl eine Fehleinschätzung oder eine falsche Erinnerung. Möglicherweise hat Kaplan das verwechselt, weil da wurde das ColecoVision vorgestellt, auch eine Konsole. Insofern ist das vielleicht die Erinnerung, aber es macht was mit ihm, diese mysteriöse Konsole zu sehen. Und dann trifft er sich mit einem anderen Kollegen aus Atari-Tagen, an dem schon erwähnten Doug Neubauer, der Mann, der den Pokéchip gemacht hat und dessen Killer-App Star Raiders.
Henner:
[17:15] Der Kaplan gibt nicht allzu viele Interviews, aber eins habe ich dann doch gefunden und zwar in der Dokumentation From Bedrooms to Buildions – The Amiga Years. Das ist eine sehr empfehlenswerte Dokumentation über die Amiga-Geschichte und hier hören wir Herrn Kaplan persönlich, wie er von diesem Startschuss des Amiga-Projekts erzählt.
Einspieler:
[17:38] Die Atari noch nicht mit den 5200. Sie waren noch 400s und 800s. Und Doug Neubauer hat mich auf einmal einen Tag und wir waren darüber gesprochen. Und ich sagte, ich möchte Activision, ich möchte ein neues Spielsystem machen.
Gunnar:
[17:52] Und die beschließen dann, direkt mal eine neue Konsole zu entwickeln, gleich samt passender Spiele im Jahr 1982. Ja, wir sind ja immer noch total früh und wir sind immer noch auf dem Höhepunkt des VCS-Erfolges. Das ist ja kein ganz schlechter Gedanke. Es gibt einen starken Konsolenmarkt in diesem Jahr. Es gibt nicht viel Konkurrenz für das VCS. Da kann man schon mal drüber nachdenken. Hat Nintendo ja auch getan. Die brauchen allerdings noch einen passenden Architekten, der ihnen den Grafikchip entwickelt. Und da kontaktieren sie J. Miner. Und Miner ist interessiert und er glaubt auch, dass sein Arbeitgeber helfen kann. Und dann nimmt er Kaplan und Neubauer mit zu Burt Braddock, dem Gründer von Zymos. Der fragt natürlich erstmal nach einem Geschäftsplan.
Gunnar:
[18:33] Und dann entwickeln die drei einen solchen Plan, der den Status Quo auf dem Konsolenmarkt so beschreibt. Da das Atari V2S ein sechs Jahre altes Design ist, gibt es potenzielle Verbesserungen in Bezug auf Farbe, Grafik, Anzahl der Spieler und Sound. Das ist schon richtig, das haben sie ganz richtig eingeschätzt.
Henner:
[18:53] Ja, wobei ich mich frage, wie kommen sie auf die Anzahl der Spieler? Planen sie da eine große Innovation? Jetzt wollen sie auf acht Spieler gehen oder wollen sie ins Internet?
Gunnar:
[19:01] Online.
Henner:
[19:01] Online, ja, vielleicht, ja.
Gunnar:
[19:03] Ja, das ist ein bisschen komisch, weil mit dem Atari kann man ja mit vier Spielern spielen. Also weiß nicht, warum das ein Problem sein soll, aber egal. Und sie erwähnen auch einen aktuellen Trend, der ja noch groß werden wird. Heimcomputer sind ein Vehikel zum Spielen von Videospielen. Das ist kein selbstverständlicher Gedanke. Das ist ein einigermaßen visionärer Gedanke, das hier in so ein Dokument zu schreiben. Die Geschäftsidee des Trios ist folgendermaßen. Der Neubauer und der Miner entwickeln das Mainboard und den Chipsatz für die Konsole. Kaplans Activision macht dann schön die Spiele dafür. Und Zymos, die Herzschrittmacher-Leute, die machen die Herstellung von den Chips und den Modulen. Das klingt ja alles ganz logisch. Braddock, der Simons-Chef, ist auch interessiert. Der sucht nach Geldgebern. Findet auch welche, zum Beispiel die immer wieder gerne in der frühen Technologie-Geschichte genannten Zahnärzte aus Florida. Da muss es so viele reiche Zahnärzte geben. Meine Herren, ey.
Henner:
[19:56] Kennen leider keine.
Gunnar:
[19:58] Die sind alle ausgestorben jetzt. Und dann kontaktiert er noch seinen eigenen Boss, den reichen Unternehmer Orwell Wayne Rollins. Das ist der Eigentümer des Herzschrittmacherherstellers Intermedix. Der hat wiederum eine Mehrheit an Zymos. Und auch der ist schnell überzeugt, denn die Chipfertigung, die gäbe ja den Zymos Produktionsanlagen was zu tun. Die sind nämlich mit den kleinen Stückzahlen von Herzschrittmachern nicht ausgelastet.
Gunnar:
[20:23] Jetzt fehlt diesem Team aber noch, er ist ja eigentlich schon mal ein Dreamteam technisch und so, denen fehlt aber noch ein erfahrener Geschäftsführer. Und auch den finden sie jetzt. Das wird David Morris, ein hochrangiger Manager des Spielzeugherstellers Tonka. Der ist nicht nur Geschäftsmann, sondern auch Ingenieur, hat also auch den Stallgeruch für die anderen Ingenieure in diesem Team. und der versucht seinem Arbeitgeber schon lange aufzuschwatzen, dass man sich jetzt mal in Richtung elektronischer Spielzeuge bewegen muss. Das liegt doch auf der Hand. Zum Beispiel gibt es ja den Konkurrenten Coleco. Der hat ja gerade das ColecoVision gemacht, das wir schon erwähnt haben. Und als der jetzt von dem Plan hört, eine neue Konsole zu entwickeln, ist er überzeugt und Kaplan verlässt dann auch direkt Activision. Jay Miner bleibt formell bei Zymos. Das bleibt ja auch alles im Zymos-Universum erstmal. Und dann geht es los. Im September 1982 meldet das Team im kalifornischen Santa Clara ein Unternehmen an. Jetzt fehlt noch ein Name und ein Produkt vielleicht.
Henner:
[21:19] Vielleicht ja, aber ein Unternehmen haben sie schon mal und ein Team und ist das nicht verrückt? Sind das nicht völlig andere Zeiten als heute? Fünf Leute und drei Zahnärzte gründen einfach mal zusammen einen Konsolenhersteller, der den Marktführer herausfordern soll. Stell dir vor, du machst das heute und versuchst, Nintendo, Sony und Microsoft in die Schranken zu verweisen mit so einem Team aus fünf zusammengefürfelten Leuten und ein bisschen Anschubfinanzierung.
Gunnar:
[21:44] Ehrlich, das war auch damals utopisch. Atari war ja eine Maschine, war ja auch ein großer Konzern und gehörte zu einem noch viel größeren Konzern, einem Medienkonzern. Das war überhaupt nur denkbar, weil sie so klar identifiziert haben, dass Atari das nicht gut macht.
Henner:
[21:58] Ja, weil Atari den Trend verschlafen hat und da sehen sie eine Chance für sich, ist schon richtig.
Gunnar:
[22:02] Und wenn wir jetzt nächste Woche Microsoft angreifen wollen und Sony und Nintendo, müssen wir halt nur warten, bis die zehn Jahre kein neues System mehr gemacht haben.
Henner:
[22:11] Ja, ganz einfach. Gut, jetzt steht das Unternehmen, aber das Unternehmen braucht eben noch einen richtigen Namen. Und das ist noch nicht der Name Amiga. Der kommt erst noch. Nun überlegen sich die Herren natürlich auch, wie wollen sie sich eigentlich nennen. Und Kaplan hat schon eine klare Vorstellung. Der möchte sein Unternehmen und auch das Produkt bezeichnen. Pixel nennen, was ein hübscher Name ist für das, was sie vorhaben. Die Geräte sollen dann Pixel Systems heißen. Drei Modelle ziehen sie in Erwägung, skizzieren sie so erstmal, die Spezifikationen und mögliche Preise und so weiter, alle basierend auf dem 8-Bit-Prozessor 6502. Also das ist noch nicht die nächste Generation, aber sie könnte es werden mit Hilfe der nötigen Chipsatztechnik von J-Minor. Jedenfalls, was sie da in Erwägung ziehen, das sind drei verschiedene Konsolen, die die Codenamen der Familie von Kaplan bekommen. Also die Vornamen seiner Frau und seiner zwei Söhne. Seine Frau liefert den Codenamen für das Topmodell Sue. Die kriegt 64 Kilobyte RAM. Benji kriegt nur 16 und der kleine Dave kriegt nur 2 Kilobyte. Also viel mehr ist da auch noch nicht in der Planung. Aber sie haben zumindest schon mal einen Zeitplan. Die Arbeit an den nötigen Chips, also dem Chipsatz, der diese CPU unterstützen soll und den zugehörigen Platinen soll abgeschlossen sein im Oktober 1983.
Henner:
[23:28] Also etwa ein Jahr später und die fertige Konsole, sagt der Plan, soll dann im Januar 1984 mit passenden Spielen auf der CES in Las Vegas vorgestellt werden. Das ist schon ziemlich ambitioniert, aber die halten das für realistisch. Es ist nicht so ganz klar, ob sie drei Konsolen parallel auf den Markt bringen wollen oder nur eine davon, nur Sue oder nur Benji. Aber das spielt auch keine Rolle, denn so kommt es nicht. Und die Geräte werden auch nicht Pixel Systems heißen und die Firma wird auch nicht Pixel heißen, denn es stellt sich heraus, der Name ist schon vergeben. Ich kenne das, ich habe es ja an anderer Stelle schon mal erzählt. Ich hatte mal einen Job, in dem es zu meinen Aufgaben gehörte, mir Produktnamen auszudenken. Und das ist ein wahnsinnig undankbarer Job, denn wirklich alle coolen und beschreibenden, also sprechenden Namen, die man sich auch merken kann und die Google-freundlich sind … Die sind längst vergeben. Also da muss man auf irgendwas anderes zurückgreifen, was halt noch frei ist und das klingt in der Regel dann bescheuert. Und so kommt es auch hier. Das Startup wird also im September 82 eingetragen und gegründet unter einem anderen Namen, nicht als Pixel, sondern als High Toro mit einem Bindestrich. Ja, das meinen die Gründer würde wahrscheinlich so viel heißen wie hoher Stier, obwohl das keine präzise Übersetzung ist. Toro ist tatsächlich das spanische Wort für Stier, aber Hai ist jetzt nicht unbedingt reines Spanisch. Selbst ausgedacht haben sie sich diesen Namen aber auch nicht.
Henner:
[24:50] Sondern dieser Name existiert schon. Das ist eine existierende Mantelgesellschaft, also eine produktlose und zwecklose Firma. Das ist ja eine übliche Praxis, dass man einfach schon mal Firmen gründet, um den ganzen Papierkram zu erledigen und dann kann man später diese Firma mit einem Zweck versehen, wenn man dann ein passendes Produkt hat und dann geht das ganz schnell, dann kann man das Produkt schneller auf den Markt bringen und die ganzen formellen und rechtlichen Dinge, die sind dann schon geklärt. Also das ist eine Mantelgesellschaft, die schon existiert und die gehört dem schon erwähnten Finanzier, dem schwerreichen Herrn Rollins, dem auch die Firma Intermedix gehört. Und der wiederum hat eine Investmentfirma für solche Technikspielereien und Investitionen, die heißt Hightech Ventures und zu Hightech Ventures gehört eben Hightoro, die existiert schon seit März 82, aber ohne eindeutigen Geschäftszweck und Hightoro wird jetzt einfach zweckentfremdet und zum Mantel dieses neuen Konsolen-Startups.
Henner:
[25:47] Ja, aber jetzt ist noch eine Personalie zu klären. Die brauchen noch einen Vorstandsvorsitzenden. Sie haben zwar eigentlich schon einen Geschäftsführer, den Dave Morse, aber sie wollen trotzdem noch ein bisschen prominente Unterstützung. Und da hat sich Morse auch jemanden ausgesucht. Eine nicht unbekannte Person namens Nolan Bushnell. Das ist der Atari-Mitgründer und auch der jahrelange Präsident von Atari. Der hat sein eigenes Unternehmen 1979 auch schon verlassen, so wie so viele andere, im Streit mit der neuen Unternehmensführung rund um Ray Kassar. Der ist also frei, der macht diverse andere Dinge und Kaplan nimmt dann auch im Oktober mit seinem alten Boss, mit Nordenbuschnell, Kontakt auf. Er ruft ihn an im Oktober 82 und fragt ihn, hey, möchtest du nicht bei uns Vorstandsvorsitzender werden?
Henner:
[26:32] Wir revolutionieren hier mal wieder den Konsolenmarkt. Aber Bushnell, der ist ja bekannt dafür, dass er Menschen gut umwerben kann. Der ist sehr charmant und überzeugend und der schafft es im Gespräch mit Kaplan, den Spieß umzudrehen und der zieht im Gegenzug Kaplan zu sich. Also statt sich Hightoro anzuschließen, wirbt Bushnell einfach mal Kaplan ab und überzeugt ihn davon, sich ihm anzuschließen und verspricht ihm, ja, wir könnten noch gemeinsam viel besser eine neue Konsole entwickeln. Daraus wird nichts, Bushnell wird keine neue Konsole entwickeln, aber trotzdem ist Kaplan jetzt erstmal weg. Dieser Kaplan, der ist unheimlich sprunghaft offenbar. Wir erinnern uns, der ist gerade von Atari weggegangen, dann von Activision und jetzt nach ein paar Wochen verlässt er auch Hightoro schon wieder.
Henner:
[27:18] Und da sein alter Freund nicht dabei ist, also Kaplan weg ist aus dem Projekt, verlässt jetzt auch Neubauer dieses junge Unternehmen. Also falls ihr die ganze Zeit mitgeschrieben oder euch all diese verschiedenen Namen gemerkt habt, könnt ihr gleich alle widerstreichen. Kaplan spielt keine Rolle mehr, Neubauer spielt keine Rolle mehr, Bushnell wird im weiteren Verlauf dieser Geschichte keine Rolle mehr spielen und Spoiler, auch Busser. Benji, Dave und Sue werden keine Rolle mehr spielen. So wie auch der Name Hightoro nicht bestehen bleibt, da kommt gleich noch ein anderer. Ja, also das sieht nicht so gut aus. Hightoro hat noch gar nicht so richtig mit der Arbeit an einer neuen Konsole begonnen und schon stehen sie ohne technisches Personal da. Denn eigentlich sollten ja Neubauer und Kaplan gemeinsam die Hardware entwickeln und auch ein bisschen die Spiele. Und der J-Minor, der ist eigentlich ja nach wie vor festangestellt bei Zymos. Das heißt, der wäre nur ein externer Zuarbeiter oder ein Vertragspartner, aber der ist kein Angestellter bei Hytoro. Aber jetzt hat Hytoro eben keinen einzigen Ingenieur mehr und da müssen sie dann doch umdenken und den Minor ins Boot holen.
Gunnar:
[28:26] Das ist jetzt ja auch die einzige Lösung. Das ist ja der einzige, den Sie überhaupt noch kennen.
Henner:
[28:31] Ja.
Gunnar:
[28:31] Den Sie noch haben. Und Morse geht jetzt hier in die Offensive und bietet ihm die technische Leitung bei Hightower an.
Gunnar:
[28:37] Miner sieht dann damit seine Chance, jetzt doch noch seinen Traum zu verwirklichen, den mit der 16-Bit-Konsole, wir erinnern uns, und akzeptiert das Angebot. Aber er stellt drei Bedingungen. Erstmal, wir lassen den 8-Bit-Quatsch. Wir machen ein 16-Bit-Modell. Ha, jetzt kann er sich nämlich durchsetzen. Und zweitens, das Gerät muss sich zu einem vollwertigen Computer erweitern lassen. Solange es aber in einer abgespeckten und kostgünstigen Version als reine Videospielkonsole verkauft werden kann, waren Dave Morse und seine Leute, die Geldgeber, die Zahnärzte auch zufrieden, sagte Miner später.
Gunnar:
[29:09] Und solange es erweiterbar ist und damit auch ein High-Level-Heimcomputer werden konnte, war er zufrieden. Also sehr diplomatisch alles gelöst mit der Idee, daraus dann verschiedene Modelle zu machen. Und die dritte Bedingung ist die wichtigste. Der Miner will seine Hündin Mitchie mit ins Büro nehmen dürfen. Offenkundig ist das damals nicht üblich gewesen, nicht so wie heute. Morris akzeptiert alle drei Sachen. Mitchie wird sogar so eine semi-offizielle Mitarbeiterin mit eigenem Namensschild an der Bürotür. Und dann geht’s weiter.
Gunnar:
[29:39] Miner braucht aber neben der Mitchie noch weitere Mitarbeiter. Und dann wirbt er bei Apple einen Mann ab, einen Ingenieur namens Ronald Nicholson. Das ist ein Mitglied an diesem illustren Entwicklerteam, das am Macintosh arbeitet. Und das ist ja so ein Wundercomputer zu der Zeit, denkt man. Der basiert auch auf einem 16-Bit-Prozessor. Aber für Nicholson geht das in die falsche Richtung. Der will lieber ein günstigeres farbtaugliches Modell haben. Und Steve Jobs lehnt das kategorisch ab.
Gunnar:
[30:10] Farbe? Nee, keinesfalls. Und bei Hightower kann er dann eine 16-Bit-Maschine machen mit Farbe. Das liegt ihm mehr. Und der Nicholson kümmert sich dann auch um das Mainboard und die Systemarchitektur. Im Oktober 82 sind wir jetzt und dann macht Miner einen weiteren Anruf und er ruft seinen alten Kollegen Joe Decuir an aus Atari-Tagen, dessen Start-up braucht dringend Geld. Und nun werden Miner und Decuir doch noch ihren alten Plan umsetzen, wie ihn Dick Juer 1979 ja in seinem berühmten, berühmten Notizbuch festgehalten hat. Er wird allerdings kein fester Mitarbeiter bei Hytoro, sondern bleibt externer Berater und arbeitet am Chipsatz-Design mit. Und in den nächsten Monaten wächst das Team dann weiter. Sie bauen auch ein Software-Team auf. Die meisten neuen Mitarbeiter sind viel jünger als Miner, der ist ja zu dem Zeitpunkt bereits 50 Jahre alt.
Gunnar:
[31:00] Erfahrene Ingenieure kann sich das Startup einfach nicht leisten. Das ist einfach erstmal eine bunt zusammengewürfelte Gruppe von Leuten. Der Miner beschreibt seine Kollegen später als ziemlich seltsam und sagt, es gab Männer, die kamen in lila Strumpfhosen und roten Hasenpantoffeln zur Arbeit. Aber wir sind hier in der IT, da zählen Ergebnisse mehr als Etikette und es war ja vielleicht auch just diese Art lockerer Arbeitsatmosphäre, die Atari groß gemacht hat damals, bevor dann Kassar übernahm und einen Dresscode einführte. Und meiner dann ja damit auch vertrieben hat insgesamt.
Gunnar:
[31:38] Die meisten jungen neuen Kollegen heuern allerdings nicht mehr bei Hightoro an, denn schon Ende 82 erhält die Firma einen neuen Namen. Endlich.
Henner:
[31:48] Ja, endlich. Niemand mag diesen Namen. Also rückblickend behaupten das alle, sie hätten den von Anfang an nicht gewollt und Kaplan hat sowieso mal gesagt, das sei ohnehin nur eine temporäre Lösung gewesen, bis wir was Besseres finden. Jedenfalls kommt hinzu, dass Toro auch der Name eines japanischen Rasenmäherherstellers ist. Den gibt es auch nach wie vor. Und man möchte einen modernen Supercomputer nicht unbedingt verbunden wissen geistig mit einem Rasenmäher. Das passt nicht so richtig, die Assoziation, die da geweckt wird. Und so steht dann auch zum Jahresende 82 fest, das Startup braucht einen neuen Namen und damit auch das Gerät, das dort entsteht. Dieser neue Name wird jetzt also gesucht und der soll im Telefonbuch möglichst vor den großen Konkurrenten stehen, vor Apple und Atari. Und zweite Vorgabe, er soll freundlich klingen, also nicht so technokratisch, nicht so abstrakt wie andere Computernamen zu dieser Zeit. Und so werden einige hundert Vorschläge auf ein großes Flipchart geschrieben und diskutiert.
Henner:
[32:43] Und irgendwann bringt irgendjemand, es ist nicht überliefert wer, den Namen Amigo ins Spiel. Das ist wieder ein spanisches Wort und das Wort für Freund. Der Name setzt sich dann auch durch, wenn auch nicht als Amigo, sondern in seiner weiblichen Form als Amiga, die Freundin. Miner ist damals kein Fan dieses Namens, das hat er später mal gesagt. Ein Zitat von einem Auftritt 1990, da sagt er, ich dachte einen spanischen Namen zu nutzen war keine gute Entscheidung.
Henner:
[33:12] Denn Menschen mit hispanischem Hintergrund, die wären ja in der Regel nicht jene mit höherem Einkommen, die man mit dem Amiga erreichen wolle. Das ist jetzt nicht unsere böswillige Interpretation, sondern das sagt er selber so. Da schwingt ein bisschen Rassismus mit, muss man sagen.
Henner:
[33:27] Trotzdem erfügt sich dann sehr schnell und akzeptiert es, aus Hightoro wird also Amiga Inc., so heißt dann die Firma. Ja und auch die entstehende Maschine, an der sie ja nun arbeiten, erhält einen weiblichen Namen. Das ist aber zunächst mal nur ein Codename, ein Entwicklungsprojektname. Lorraine heißt der Prototyp, der jetzt entsteht. Wieder nach einer verwandten, nach Dave Morrises Frau, die auf diese Weise verewigt wird.
Henner:
[33:53] Frauennamen als Codenamen für Prototypen zu verwenden, das hat Tradition. Bei Atari war das auch schon so, das VCS hieß während der Entwicklung Stellar und die Modelle 400 und 800, die hießen Candy und Colleen. Das sind alles Namen von Mitarbeiterinnen von Atari gewesen. Nun sind wir also bei der Entwicklung von Lorraine, aber die Entwicklung von Lorraine ist teuer, Denn die ganzen neuen Mitarbeiter, die zehren die Anschubfinanzierung, die sie bekommen haben, durch Intermedics und Hightech Ventures und die anderen Geldgeber wie die Zahnärzte sehr schnell auf. Personal ist teuer und so muss Amiga jetzt auf anderem Wege Geld verdienen und andere Produkte auf den Markt bringen, bevor eines Tages also diese Superkonsole-Superheimcomputer fertig sein wird. Was von beiden es eigentlich ist, dazu kommen wir gleich noch, das ist eine etwas schwierigere Frage. Vielleicht seid ihr auch schon ein bisschen verwirrt, dass wir mal von Computern sprechen und mal von Konsolen. Das wird gleich noch entschieden.
Henner:
[34:50] Aber jetzt braucht Amiga erstmal ein Übergangsprodukt, um ein bisschen Geld zu verdienen.
Gunnar:
[34:54] Genau, weil sie sind ja noch ein ganzes Stück entfernt davon mit ihrem Hauptprodukt, das sie da anstreben, marktfähig zu sein. Also müssen sie jetzt irgendwas auf den Markt bringen, was schnell geht. Und Ende 82 ist der Videospielemarkt auf seinem vorläufigen Höhepunkt, getrieben durch das immens populäre Atari 2600. Also liegt es nahe, Spiele und Peripherie für dieses System zu verkaufen, sich da also in dessen Windschatten zu begeben, wenigstens mal zwischendurch, bis man es dann überholen kann mit einem neuen System.
Gunnar:
[35:26] Roland, der Intermedics-Chef und wichtigste Geldgeber, der ist schnell überzeugt von diesem Plan. Er steuert weitere Millionen bei, um seiner jungen Amiga-Firma ein zweites Standbein zu sichern. Und so wird das Unternehmen dann in zwei Gruppen aufgeteilt. Die eine kümmert sich ausschließlich um Lorraine, das ist die, die Geld kostet. Und die andere in Zusammenarbeit mit externen Zulieferern macht Zubehör für andere Plattformen, das ist die, die Geld bringen soll. Und das erste Amiga-Produkt soll ein Joystick sein. Schließlich brauchen sie eh einen Joystick für ihre Konsole später. Also kann man da ja schon mal einen machen. Und Amiga sieht da auch eine Chance auf schnellen Erfolg, weil es gibt ziemlich viele minderwertige Produkte auf dem Markt.
Gunnar:
[36:07] Insbesondere das Atari 5200, gerade erschienen, ist ja berüchtigt für seine missratenen Joysticks. Und das, was sie dann rausbringen, das Amiga-Modell, verwendet eine zuverlässigere Schalttechnik als die meisten anderen Controller, wenn auch nicht die exquisiten Mikroschalter, die wir später im Competition Pro haben werden, und besticht durch seine kompakte Form. Der Stick ist so klein, dass er in einer Hand gehalten werden und mit etwas Geschick sogar mit derselben Hand gesteuert werden kann. Und aus diesem Joystick-Design leitet Amiga dann mit kleinen Anpassungen Modelle für verschiedene aktuelle Plattformen ab, die meisten in schwarz-rot. Das Modell mit neunpoligem Stecker passt ans Atari 2600, ebenso wie an die Heimcomputer von Atari und Commodore. Ein anderes Modell an den Texas Instruments Heimcomputer TI-994A und eine Variante mit zusätzlichem Tastenfeld kommt an die Konsolen Intellivision und ColecoVision. Diese Joysticks sollen nicht nur die Lorraine-Entwicklung finanzieren und später dem fertigen System beiliegen. Sie sind auch schon die U-Boote, um den Namen Amiga in die Branche zu tragen. Sie sollen den Namen etablieren, sie sollen beim Aufbau von Handelsbeziehungen helfen.
Gunnar:
[37:18] Dafür plant der Morse, seine alten Tonka-Verbindungen im Spielwarenmarkt zu reaktivieren. Und die Produkte sollen, wie meiner in einem Interview berichtet hat, die Konkurrenz in die Irre führen. Amiga will sich nicht zu früh die Karten wicken lassen. Ein heimloser Joystick-Hersteller, der wird ja dann wohl nicht Opfer von Industrie-Spionage werden durch irgendwelche Konkurrenten und nicht unter großer Beobachtung stehen. Und dieser Amiga-Joystick, der kommt 1983 auf den Markt als sogenannter Power-Stick. Das ist der Beginn einer kurzen Power-Phase im Amiga-Marketing. Zwei Jahre bevor Nintendo dieses Schlagwort dann entdeckt und für sich in Anspruch nimmt, die ja dann gesagt haben später, now you’re playing with power. Auf der Packung prangt dann stets der Slogan Amiga the Power System, womit zu der Zeit natürlich noch kein System im Sinne einer Konsole oder eines Computers gemeint ist, sondern ein Ökosystem aus Gaming-Peripherie. Der Stick ist ein Erfolg und der nächste Amiga-Controller dann demzufolge schon in Planung.
Henner:
[38:17] Ich habe so einen Joystick nie in der Hand gehabt. Mir ist noch nie einer begegnet, aber sie müssen doch wirklich erfolgreich gewesen sein, denn sie sind recht leicht zu finden bei Ebay und Co. Und ja, die sind wirklich winzig.
Henner:
[38:29] Damals waren Joystick-Designs noch nicht so, oder Controller-Designs insgesamt noch nicht so festgelegt wie heute. Da war man noch offen für etwas andere Formen. Aber das ist schon seltsam, so ein Mini-Stick, den man mit einer Hand steuern kann. Aber er soll wohl ganz gut funktioniert haben. Hat auch gute Testberichte bekommen und so.
Henner:
[38:45] Und so beginnt Atari gemeinsam mit externen Zulieferern gleich mit der Entwicklung des nächsten Controllers, mit der ähnlichen Schalttechnik, die hier wieder zum Einsatz kommt. Aber mit ein bisschen mehr Mut bauen sie jetzt das Joyboard. Das ist eine rechteckige Controller-Plattform, die ein bisschen größer ist, denn das ist eine Plattform zum Draufstellen. Das ist so ähnlich wie das Wii Balance Board, das ich gerade mit Fabian bei Stefferever Technik Bits besprochen habe. Also ein Controller, auf den man sich tatsächlich mit vollem Körpergewicht draufstellen kann, bei dem man dann die Richtung vorgibt, indem man sein Gewicht ein bisschen verlagert.
Henner:
[39:19] Das Joyboard hat allerdings keine eigene Feuertaste. Dafür muss man da dann einen regulären Joystick anschließen. Das ist sehr eigenwillig und das eignet sich natürlich nicht für Spiele wie Space Invaders oder Pac-Man, wo man sehr schnell reagieren muss, sondern das verlangt nach eigenen, nach angepassten Spielen. Die haben ja mittlerweile keine eigenen Spieleentwickler mehr bei Amiga und so wenden sie sich an einen externen Entwickler, an die Firma Videosoft. Und VideoSoft beginnt jetzt im Auftrag von Amiga mit der Entwicklung von vier Spielen für das Atari 2600. Das erste ist ein 3D-Ski-Spiel namens Mogul Maniac. Bei dem Namen hätte ich eher eine Wirtschaftssimulation erwartet, aber nee, das ist eine Ski-Simulation.
Henner:
[40:00] Die liegt dann auch dem Controller bei und sie entwickeln darüber hinaus noch weitere Spiele.
Henner:
[40:05] Joyboard und Spiel zusammen im Bundle werden dann im Februar 83 schon vorgestellt auf einer Spielemesse in New York. Also eine Spielzeugmesse ist das. Und die haben auch ein eigenes Testimonial, also nehmen wirklich Geld in die Hand fürs Marketing. Das ist eine ehemalige US-Skirennläuferin, Susie Chafei, die damals wohl recht bekannt ist. Und die stellt sich dort publikumswirksam auf dieses Joyboard und präsentiert
Henner:
[40:30] das Spiel. Und das Joyboard, das ist recht beliebt, zumindest bei der Presse, findet es einige Fans. Es gibt auch einen Testbericht aus der deutschen Telematch, das war ja das erste deutsche Spielemagazin. Die hat 83 geschrieben, mit der Spielesteuerung via Joyboard gewinnen selbst alte Spiele einen Reiz, den man kaum beschreiben kann. Wäre das nicht eure Aufgabe als Redakteure, das zu beschreiben? Aber nee, es geht nicht. Und die Redaktion empfiehlt dann sogar, Zitat, spielen Sie doch mal Ihre ganze Programmbibliothek auf diese Weise durch. Sie werden einen Spielspaß ohne Gleichen erleben.
Gunnar:
[41:03] Wow.
Henner:
[41:04] Ja, nun, ich hab’s nicht ausprobiert. Also, ich kann’s nicht widerlegen. Vielleicht stimmt das, ja? Aber Sie empfehlen das dann auch als Partyspiel. Also, wenn Sie mal demnächst viele Leute zu Besuch haben, packen Sie das Joyboard raus. Und das kann ich mir durchaus vorstellen, dass das heiter ist. Nun, diesen Spaß erleben leider nur sehr wenige, Denn obwohl es ja zum Teil positive Presse gibt, das Joyboard wird kein Erfolg mehr. Es gibt auch nur noch sehr wenige bei Ebay. Das ist der Beleg dafür. Also das Joyboard floppt. Aber das liegt nur zum Teil am Produkt selbst. Das liegt vor allem am Marktumfeld. Denn da passiert jetzt was auf dem Konsolenmarkt in den USA.
Gunnar:
[41:40] Ja, jetzt passiert ja das, was wir immer wieder ansprechen in diesen Zusammenhängen. Jetzt kommt der Crash. Am 8. Dezember 1982 verkündet Warner Communications, die Mutter von Atari, auf dem Höhepunkt des Hypes der Videospiele erschreckende Geschäftszahlen. Alle haben erwartet, es geht nochmal 50 Prozent nach oben, aber es sind nur 10 bis 15 Prozent Wachstum. Und das allein wegen der schlechten Verkaufszahlen bei Atari-Spielmodulen. Und im Jahr 83 dreht sich dieser ganze Trend dann auch um. Die Atari-Sparte häuft Verluste an, über 500 Millionen Dollar. 1984 sind es über 400 Millionen Dollar Verlust in einem einzigen Quartal. Und der US-Konsolenmarkt ist implodiert damit, also ja im Wesentlichen der Markt für Atari-Spiele. Das hat aber das ganze Marktumfeld mitgezogen, weil alle sofort Panik hatten und dachten, jetzt muss man hier raus aus diesem Geschäft. Und in diesem Marktumfeld hat das Joyboard keine Chance. Es wird im Weihnachtsgeschäft 1983 zum Flop.
Gunnar:
[42:42] Die Spielentwicklung bei Videosoft wird eingestellt. Zwei fertiggestellte Titel werden noch schnell an einen anderen Publisher weiterverkauft und der verramscht die dann. Ein weiteres Amiga-Zubehörteil für das Atari 2600, das Power-Modul, ist ebenfalls weitestgehend fertig entwickelt, kommt aber nicht mehr auf den Markt. Das Modul hätte eine eigene CPU samt RAM sowie einen Anschluss für ein Kassettenlaufwerk mitgebracht und so die Fähigkeiten der alten Konsole nochmal krass erweitert. Aber das damit jüngst begründete Power-System-Ökosystem ist schon wieder am Ende damit. Für Amiga ist das ein doppeltes Problem. Zum einen versiegt damit ja die geplante Einnahmequelle aus dem Spielezubehör. Das sollte ja dem Startup den Weg in den Gaming-Markt ebnen.
Gunnar:
[43:32] Mit diesem Einbruch des Marktes steht auch das eigentliche Unternehmensziel auf der Kippe. Sie wollen ja eine Spielekonsole der nächsten Generation entwickeln. Und im Jahr 1983 ist man in der Branche nicht sicher, ob es jemals wieder Konsolen geben wird, so richtig. Oder zumindest Konsolen aus Amerika, aus Japan kommt ja dann schnell was.
Gunnar:
[43:51] Damit ist halt das Projekt Lorraine in großen Schwierigkeiten. Und die Rettung dieses Projekts liegt dann in der Ambivalenz, in der Unfähigkeit der Firma, sich für eine Richtung zu entscheiden, Heimcomputer oder Konsole. Jetzt kommt Ihnen das zu Pass, jetzt können Sie einfach sich neu ausrichten, pivoten, würde man heute sagen und einen klaren Weg einschlagen.
Henner:
[44:15] Wir haben es ja gerade schon beschrieben oder schon erwähnt, dass von Anfang an nicht so ganz klar ist, bauen sie jetzt eigentlich eine Konsole oder einen Computer. Denn die ursprüngliche Idee von Neubauer und Kaplan war ja die einer Konsole. Aber der Jay Miner hat von Anfang an eine andere Idee. Der will eigentlich einen Computer bauen, der will IBM herausfordern. Das hat er auch mal selber gesagt bei dem Auftritt 1990. Das können wir uns mal kurz anhören.
Einspieler:
[44:38] Es war Präsident Dave Morris‘ Ambition und Orientierung, Und das von allen Investoren in der originalen Omega Corporation, um die beste, low-cost-video-game-Machine in der Welt zu schaffen. Es war meine Intention, den größten, körperlichen und einfach zu nutzen Home-Computer in der Welt zu schaffen. Du kannst da den Anfang des Konflikts sehen.
Henner:
[45:02] Er sagt da, die Absicht der Investoren war es eigentlich immer eine Konsole zu bauen, die möglichst günstig sein sollte. Und meine Absicht war es aber, den leistungsfähigsten und ausbaufähigsten Heimcomputer der Welt zu bauen. Ja, das ist ein Konflikt, der allerdings noch nicht offen ausgetragen wird bislang. Und jetzt aber steht die Entscheidung an. Der Konsolenmarkt ist gerade implodiert und jetzt muss man sich entscheiden, was man eigentlich bauen will, wenn man dieses Risiko tatsächlich eingeht, eine Konsole auf den Markt zu bringen. Aber das ist im Jahr 83 komplett aussichtslos, deswegen muss man jetzt aus dem entstehenden Amiga, also aus Lorraine, einen Computer machen.
Henner:
[45:39] Darauf sind die Ingenieure schon vorbereitet, denn schon von Anfang an, als Miner und Decure angefangen haben, ihr System zu skizzieren, da haben sie schon mehrere Systeme für verschiedene Ansprüche entworfen. Eine reine Spielemaschine war dabei, aber auch ganz anders geartete Geräte, so eine Art Grafikterminal für Netzwerke, ein Heimcomputer der Mittelklasse ist dabei, aber auch eine richtige professionelle Büromaschine, sowas wie der IBM PC, der ja mittlerweile auf dem Markt ist. Ein Gerät, das sich auch erweitern lassen soll, um Steckkarten, so wie das beim IBM PC oder auch beim Apple II möglich ist.
Henner:
[46:12] Und Miner hat von Anfang an das High-End-Modell favorisiert. Der will den IBM-Killer bauen. Das Management und die Geldgeber hingegen, die wollen eigentlich die Minimallösung. Eine günstige, aber leistungsfähige Konsole, die sich vielleicht, das wäre noch ein Kompromiss oder ein Mittelweg, erweitern lässt über eine optionale Tastatur und ein Laufwerk.
Henner:
[46:33] Das ist aus heutiger Sicht vielleicht ein etwas seltsamer Gedanke.
Henner:
[46:37] Es käme niemand auf die Idee, seine Playstation in einen PC zu verwandeln, indem man eine Tastatur anschließt, aber das ist damals durchaus eine populäre Lösung, zumindest auf Seiten der Hersteller populär. Der Markt nimmt das nicht an, aber die Hersteller, die machen das häufiger zu dieser Zeit. Colico zum Beispiel mit der ColicoVision, die lässt sich auch zu einem Heimcomputer erweitern, indem man da so ein Upgrade-Set anschließt. Die Intellivision von Mattel ebenfalls, die kann man auch zu einem Computer umbauen, zumindest theoretisch, die Erweiterung wird nur in sehr, sehr geringen Stückzahlen ausgeliefert, aber es geht. Und die Grenze zwischen diesen Gerätegattungen, Konsole und Heimcomputer, die sind also noch fließend. Das sieht man auch bei Matari 400. Der wird ja anfangs geplant ohne Tastatur, sollte also eigentlich auch eine Konsole sein.
Henner:
[47:23] Später entscheidet man sich um. Und den umgekehrten Weg geht Nintendo. Die planen ursprünglich das NES in den USA mit integrierter Tastatur als Heimcomputer auf den Markt zu bringen, weil der Markt zu dieser Zeit keine Konsolen haben will. Sie entscheiden sich ja dann zum Glück um und verkaufen das NES doch als richtige Konsole. Aber man sieht, die klare Trennung zwischen Konsole und Computer, wie wir sie heute haben, die existiert damals so nicht. Und es ist ja auch naheliegend, die Geräte als das Gleiche oder als zwei Spielarten derselben Plattform zu betrachten, weil die CPU, die drinsteckt, in der Regel sowieso dieselbe ist. Und einen Videochip brauche ich auch für beides und einen Modulschacht und ein bisschen Arbeitsspeicher. Ja, und dann kann ich ja noch eine Tastatur anschließen und schon habe ich einen Computer. Also warum soll ich zwei völlig unterschiedliche Geräte entwickeln.
Henner:
[48:09] Wenn ich zwei Märkte mit einem Gerät adressieren kann? Also die Ingenieure haben vorgesorgt, sie haben von Anfang an einen Chipsatz geplant, der sich in verschiedensten Geräten einsetzen lässt, von der Konsole bis zum IBM-würdigen, professionellen PC.
Henner:
[48:24] Aber es ist nicht so ganz klar, auf welche Art von Gerät sich Amiga in den nächsten Monaten überhaupt konzentriert. Je nachdem, wen man fragt und welches Buch man liest, welchen Artikel, welches Interview. Die Darstellung ist immer ein bisschen unterschiedlich. Mal heißt es, man sei jetzt 83 komplett umgeschwenkt von der reinen Konsole zu einem reinen Computer. Andere sagen, beides sei schon von Anfang an parallel entwickelt worden. Und wieder andere sagen, der Schwerpunkt habe sowieso auf einem Hybrid-Ansatz gelegen, also einer Konsole, die man dann erweitert zu einem Computer. Es ist komplett unklar, aber das spielt auch gar keine Rolle, denn jetzt kommt der Crash und der zwingt das Amiga-Team im Jahr 83 zu einer finalen Entscheidung und das ist eine Entscheidung weg von der Konsole, auch weg von irgendwelchen Hybrid-Systemen hin zum reinen Computer.
Gunnar:
[49:10] Das darf auch nicht mehr nach Konsole aussehen. Und der Miner hat dann erzählt später, dass die Marketingleute Panik hatten, weil, oh Gott, oh Gott, oh Gott, was machen wir denn jetzt in diesem neuen Marktumfeld? Er aber immer sie beruhigt hat und gesagt hat, nee, keine Angst, Jungs, wir haben hier einen richtigen Computer. Wir müssen keine Angst haben. Wir sind davon nicht betroffen. Es zahlt sich jetzt halt aus, dass er die ganze Zeit einen Computer machen wollte. Und jetzt, wo die tastaturlose Konsolenlösung vom Tisch ist, steckt auch seine Stunde. Er macht dann Vorschläge für neue Computerdesigns, großes Gehäuse, eingebautes Laufwerk, Kartenslots im Stil des IBM-PCs, modularer Aufbau, viele, viele, viele Anschlüsse, wie jeder Computer sie nun mal braucht. Alles ganz toll. Und der Morse sagt, nee, zu teuer ist das und auch zu radikal.
Gunnar:
[49:57] Okay, das Gerät soll jetzt zwar nicht mehr mit dem Atari 2600 konkurrieren, der Markt ist ja weg, aber jetzt auch noch gleich gegen den IBM-PC anzutreten, ist ein bisschen viel. Lass uns mal gegen den C64 gehen. Das ist ja auch ein leistungsfähiger Heimcomputer für Einsteiger, aber nutzerfreundlich und bezahlbar. In der Richtung kann man mit einem Gerät, das nicht ganz so viel kostet, vielleicht ein bisschen was machen. Und dann entsteht ein Kompromiss, das Gehäuse schrumpft, die Kartenslots verschwinden und die Tastatur und das eingebaute Laufwerk bleiben aber. Und dieser Richtungswechsel bedeutet viel zusätzliche Arbeit für das Entwicklungsteam, aber am Herzen der Maschine, also an der CPU und dem Chipsatz muss man nichts mehr ändern, denn die Architektur ist für technisch komplexe Spiele entworfen und kann damit natürlich dann auch andere Anwendungen aus dem Bürosegment oder so problemlos abbilden.
Henner:
[50:51] Also es soll eine leistungsfähige Spielemaschine sein, die auch für alles andere geeignet ist. Aber was heißt das genau? Der Dave Morris als der Chef des Ganzen, der gibt ein bestimmtes Leistungsziel vor. Der hat eine ganz klare Vision vor Augen, was das Gerät können soll, unabhängig davon, ob es jetzt eine Konsole ist oder ein Computer. Er sagt, Lorraine soll Grafik und Animation in der Qualität von TV-Cartoons darstellen. Der kommt ja aus der Spielzeugindustrie von Tonka. Der weiß also, wie wirkmächtig eine Lizenz ist von einer bekannten Fernsehfigur. Also wenn man irgendein Produkt hat mit den Schlümpfen drauf, dann verkauft es sich gleich sehr viel besser. Die gibt es ja seit 1981 im Fernsehen. Aber der will jetzt über das übliche Lizenzgeschäft hinausgehen. Der will also die Schlümpfe nicht nur irgendwo draufdrucken, sondern er will die Figuren selbst interaktiv machen. The Cure hat mir das auch so bestätigt. Dave Morse, sagt er, wollte eine Maschine, die einen Zeichentrickfilm in Echtzeit animieren kann. Das geht ja weit über das hinaus, was man am VCS oder Atari 2600 damals machen kann. Da sehen die Sprites noch sehr abstrahiert aus, aber sie sehen nicht aus wie im Fernsehen.
Henner:
[51:56] Und genau das soll jetzt diese Maschine aber leisten. Und The Cure sagt auch, ja, mein Konzept von Atari, also das, was er 1979 skizziert hat Und was von Kassar abgelehnt wurde, mit dieser clever konstruierten Beschleuniger-Hardware, könnte genau das leisten. Aber nicht nur das, der Dave Morse hat noch weitere Vorgaben, auch für das Audiosystem, nicht nur für die Grafik. Das Audiosystem, sagt Morse, soll digitalisierte Klänge und Musik abspielen können. Die CD ist ja damals gerade neu und en vogue, also digitalisierte Musik und Klänge. Das ist ein hohes Ziel, aber ein realistisches, technisch durchaus machbar.
Henner:
[52:32] Das sind also zwei der technischen Vorgaben von ganz oben. Aber der J-Minor, also der Hauptverantwortliche für den Chipsatz, der verfolgt auch noch ein eigenes Ziel. Sein Chipsatz, sagt er, soll realistische 3D-Flugsimulationen berechnen können. Das ist damals sehr ambitioniert, denn Flugsimulationen, die gibt es schon, aber die laufen auf riesigen Anlagen für Millionen von Dollar. Und so etwas will er jetzt auf den heimischen Bildschirm holen. Er hat auch oft in mehreren Interviews von dieser Inspirationsquelle erzählt, die kam ihm nämlich beim Besuch eines Simulatorherstellers namens Singer Link. Ein Freund von ihm hat dort gearbeitet und er hat ihn mal mitgenommen und Singer Link stellt damals professionelle Simulatoren her für Fluglinien oder für die Luftwaffe oder auch für die NASA.
Henner:
[53:18] Und falls euch der Name Singer bekannt vorkommt, ja, das ist der Nähmaschinenhersteller. Der ist nämlich in den 60ern gewachsen und ein bisschen expandiert in die Rüstungsindustrie aus irgendwelchen Gründen und hat dabei auch eine Firma namens Link Flight Simulation übernommen. Und so entstand eben zeitweise Singer Link. Doch, genau.
Gunnar:
[53:36] Nein, das ist echt die Nähmaschinen, Leute.
Henner:
[53:39] Das sind die, ja. Mittlerweile machen die nur noch Nähmaschinen. Aber damals gab es eben noch diese Rüstungssparte.
Gunnar:
[53:44] Die Singer, das ist ja berühmtermaßen mal die größte Firma der Welt gewesen, als sie Nähmaschinen gemacht haben. Und dann haben die Leute aufgehört, Klamotten selber zu schneidern zu Hause und haben die einfach im Laden gekauft. Und dann ist dieses ganze Business weggebracht. Das wird immer in so BWL-Vorlesungen als Beispiel genannt für, guck mal, dein Markt kann verschwinden, fühl dich nicht zu sicher. Und jetzt weiß ich, wo sie hingegangen sind zwischenzeitlich. Sie haben Flugsimulationen gemacht. Ah, wie nett. Das habe ich nicht gewusst. Das bringt mich weiter. Sehr schön. Danke.
Henner:
[54:13] Sehr schön, wieder was gelernt. Ja, also dort entstehen professionelle Flugsimulatoren natürlich in sehr geringen Stückzahlen. Das sind riesige Maschinen, aufwendig gekühlt, groß wie Container. Und meiner ist sehr beeindruckt, sagt sich aber, das kriege ich auch auf einem Chip unter. Ein Siliziumchip muss reichen. Und das ist seine persönliche Anforderung an diesen neuen Chipsatz, den er entwickeln will. Dafür verpasst er diesem Chip auch eine bestimmte neue Fähigkeit, eine Funktionseinheit, die noch ganz wichtig wird in der Amiga-Geschichte, nämlich den Blitter.
Henner:
[54:44] Das ist eine Funktionseinheit, die darauf spezialisiert, dass bestimmte Grafikoperationen besonders schnell und ohne, dass die CPU sich beteiligen muss, auszuführen. Wir beschreiben das später noch, wenn es um die technischen Details des Amigas geht, aber dieser Blitter ist sehr mächtig. Keine ganz neue Idee, die gibt es anderswo schon, aber die wird später mitentscheidend sein für die Leistungsfähigkeit des Amigas. Viel wichtiger als die Sprite-Funktion, die der Amiga natürlich auch bekommt, wie man sie schon aus dem VCS kennt. Auch sein Kollege, der Ron Nicholson, der von Apple kommt, der ist mir dieser Technik vertraut. Der hat nämlich auch mal bei Apple angeregt, einen Blitter in den Macintosh einzubauen. Für die Beschleunigung der grafischen Oberfläche nämlich, die der Macintosh ja bekommen soll. Aber das hätte zu lange gedauert und wäre zu teuer geworden. Deswegen hat Steve Jobs auch das abgelehnt, genau wie die Farbe. Auch deswegen ist Nicholson sehr gerne natürlich zu Amiga gewechselt, denn hier kann er genau das realisieren. Und es gibt noch weitere Folgen, die J-Miners Plan hat, Flugsimulationen darzustellen, aber dazu kommen wir dann, wie gesagt, später noch bei den technischen Details. Bei all den technischen Finessen, die sich Miner und Dequeur und Nicholson überlegen bei der Entwicklung des Amigas, da achten sie immer darauf, den späteren Softwareentwicklern möglichst viel Spielraum zu lassen. Das ist eine wichtige Lektion, die sie gelernt haben aus ihrer Erfahrung vom VCS und später vom Atari 400 und 800.
Henner:
[56:10] Also das sind ja die Maschinen, bei denen die Entwickler auch mit den Jahren immer neue Lösungen gefunden haben, die Hardware auszureizen und die technischen Grenzen der Plattform zu verschieben. Und das soll hier auch möglich sein. Außerdem planen sie von Anfang an, das System offen zu gestalten, so offen wie der IBM PC oder auch der Apple II und nicht so geschlossen wie die meisten Konsolen dieser Zeit. Auch das ist eine wichtige Lehre, die sie mitnehmen von ihrer Erfahrung. Die Atari Computer, die sie vorher entworfen haben, Miner und die Cure, die litten ja in den ersten Jahren am Markt stark darunter, dass es zu wenig Software gab, weil Atari diese Plattform abgeschlossen hat. Die wollten nicht, dass externe Entwickler Spiele dafür entwerfen. Die wollten schön das Softwaregeschäft in der eigenen Hand behalten. Das war ein gigantischer Fehler, aus dem Amiga jetzt von Anfang an lernt. Die wollen also ihre Plattform öffnen, technische Spezifikationen früh rausgeben, damit möglichst viele Entwicklerinnen und Entwickler für ihre Plattform Spiele entwickeln. Und möglichst auch Flugsimulationen, denn das macht der Miner ja nicht selbst.
Henner:
[57:14] Gut, aber jetzt geht es um die konkrete Hardware, mit der diese Ziele erreicht werden sollen.
Gunnar:
[57:20] Ja, jetzt geht es um die Wurst, weil jetzt müssen sie sich ja mal festlegen darauf, was diese Maschine wirklich können soll. Und das läuft natürlich alles parallel. Wir beschreiben das hier so ein bisschen als so eine klare Abfolge. Erst den Crash in Ruhe angeguckt, dann weiterentwickelt. Wir sind hier im Frühjahr 1983, da läuft der Crash schon noch. Man macht schon alles gleichzeitig. Während man an der einen Seite sieht, dass es da auf dem Markt für die Konsolen ein bisschen schwieriger wird, geht man an der anderen Seite sofort an die Spezifikationen dieses neuen Gerätes. Und der Amiga soll ja nun Spieler und Büroarbeiter gleichermaßen ansprechen. Und das bedeutet, ein umfangreiches Lastenheft müssen sie machen, das sie in langen Design-Meetings festlegen, wo genau drin steht, was das Ding alles können soll. Und diese Design-Meetings, da geht es weniger gesittet zu als bei IBM. Da haben sie einen Schaumstoff-Baseboard-Schläger dabei und wer was Dummes sagt, der kriegt den Schläger über den Kopf. Das tut nicht weh, aber man will trotzdem nicht derjenige sein, der ihn abkriegt.
Henner:
[58:20] Wird später noch wichtig, dieser Schläger übrigens.
Gunnar:
[58:23] Wir kommen da noch drauf zurück. Im Frühjahr 1983 sind die Spezifikationen dieser neuen Maschine dann umrissen. Der Amiga braucht einen erschwinglichen, aber leistungsfähigen 16-Bit-Prozessor, der stark genug ist für Multitasking und einen großen Arbeitsspeicher adressieren kann. Von einer grafischen Oberfläche ist erstmal nicht die Rede, wir sind hier nicht bei Apple. Der Prozessor wird unterstützt von einem selbstentwickelten Chipsatz für Grafik und Sound, der über DMA-Kanäle, Direct Memory Access, autark, also ohne Umweg über die CPU auf den Arbeitsspeicher zugreifen kann. Eine Tastatur ist enthalten, vielleicht nicht eingebaut, aber enthalten. Und eine Maus gibt es auf den Zeichnungen von meiner noch nicht. Ein eingebautes Diskettenlaufwerk soll das Ding erhalten. Der zunächst geplante Modulschacht weicht dann bald zugunsten eines komplexeren Erweiterungsports.
Gunnar:
[59:13] Besonders umfangreich ist aber die Liste der multimedialen Fähigkeiten des Amigas. Für die Spiele-Darstellung braucht er natürlich Sprite-Engines. Und wichtiger als die ist der Hardware-Blitter, den wir eben schon angesprochen haben, der komplexe Grafikeffekte ermöglichen soll. Und er soll natürlich eine hohe Auflösung bei hoher Farbpalette darstellen können, bis zu 4096 Farbtöne, alles Bitmap-basiert und pixelgenau ohne Zeichensatzgrafik. Die Textdarstellung soll trotzdem 80 Zeichen pro Zeile sein, Ein wichtiges Merkmal für den Büroeinsatz. Wir wissen ja, dass das manchen Maschinen geschadet hat, wenn sie die 80 Zeichen des IBM-PCs auf einer Zeile nicht konnten. Der C64 schafft ja zum Beispiel nur 40. Und der Amiga soll einen Fernseher ansprechen können für den Spieleinsatz, konsolentypisch, aber auch einen professionellen Monitor, weil ohne professionellen Monitor kann man ja die 80 Zeichen nicht darstellen. Und mithilfe der GenLog-Funktion soll sich der Amiga mit dem Timing-Signal einer externen Videoquelle synchronisieren können, was mithilfe zusätzlicher Hardware die Synthese aus analogen Videos und digital erzeugten Bildinhalten erlaubt.
Gunnar:
[1:00:20] Es ist ein reines Wunschkonzert. Es ist Wahnsinn. Und im Gegensatz zu den meisten Computern soll er auch noch Stereo-Sound auf der Basis von digitalen Samples ausgeben können. Ein reines Wunder. Der Amiga vereint damit total frische neue Ideen mit etablierten Konzepten, die die Konkurrenz schon hat. Er greift in jeden der großen Töpfe zu den Heimcomputern, zu den Bürorechnern, zu den Workstations und zu den Spielkonsolen und zieht daraus Ideen und wird zu einer Synthese von Technologien, die auf Ideen basieren. Die bei Atari und Apple diskutiert wurden, erklärt Nicholson. Und als Beispiel für von Apple übernommenen Ideen nennt er dir nämlich in einem Interview, das du geführt hast, neben der späteren Mausteuerung eben diesen Blitter und den einheitlichen Speicher mit DMA-Technik. Dabei wird das bei Mac noch gar nicht gemacht. Das wurde dann nur diskutiert. Und den Blick gegen IBM, den Marktführer, richten sie nicht so stark. Nicholson sagte dir, den IBM-PC sehen sie in einem völlig anderen Marktsegment, Die technischen Details waren irrelevant für den Amiga. Und damit, mit diesen ganzen Entscheidungen, nimmt der Amiga langsam Gestalt an. Zumindest erstmal im Inneren.
Henner:
[1:01:28] Ja, äußerlich noch nicht. Da wird sich noch ein bisschen was ändern, aber im Inneren. Und das war ja gerade das Wunschkonzert, also die große Wunschliste an Funktionen, die der Amiga bekommen soll. Aber das Allermeiste davon wird ja auch tatsächlich später umgesetzt. Also es ist wirklich eine Wundermaschine, die hier entsteht. Was andere sich nicht trauen, was Apple und Atari und IBM nicht hinbekommen oder sich nicht trauen, das macht diese kleine Firma Amiga einfach mal.
Henner:
[1:01:54] Jetzt müssen wir aber mal Nägel mit Köpfen machen. Welche Bauteile sollen dann überhaupt rein? Sie können nicht alles selbst entwickeln, den Prozessor zumindest nicht. Den kaufen sie natürlich extern ein. Und für den Prozessor gibt es drei Anwärter, hat DQ mal berichtet. Allesamt 16-Bit-Prozessoren, so viel steht schon fest. Da ist der Motorola 68000, der Zilog Z8000, die hat beide auch schon DQs ursprüngliche Atari-Zeichnung von 79 genannt, als mögliche Kandidaten. Und ein dritter kommt noch hinzu, der Intel 8086. Den kennen wir aus dem IBM-PC, zumindest in der leicht abgespeckten Variante 8088.
Henner:
[1:02:32] Und welcher von den dreien wird es? Nun, die Wahl fällt nicht schwer auf den günstigsten, nämlich den Motorola. Den gibt es seit 79, aber bislang wird er nur in recht teuren Minicomputern und Workstations wie bei HP zum Beispiel eingesetzt. Aber seit 82 ist er einigermaßen erschwinglich und auch in großen Stückzahlen verfügbar und damit ist er der Chip der Wahl. Nicht nur bei Amiga, Atari wird den später ja auch für den ST einsetzen, Apple benutzt den schon für Lisa und später für den Macintosh. Also das ist ein prägender Prozessor der 80er Jahre. So ganz reibungslos läuft diese Wahl aber nicht, wie Meiner 1990 mal erzählt hat. Der sagte, Zitat, es gab anfangs großen Druck, eine Variante des 68000 zu verwenden, nämlich den 68000-8. Und das ist die 8-Bit-Version, also die günstigere Version dieses Motorola-Chips.
Henner:
[1:03:23] Zum Glück haben wir, also die Ingenieure, diesen Kampf gewonnen, denn später ging der Preis des 68000-8 deutlich runter. Und später hat kaum jemand diese Billigversion dann noch verwendet. Aber es sind trotzdem Kompromisse nötig. Die Ingenieure wollen immer alles, vor allem Jay Miner, der will ja einen Supercomputer bauen, aber das Management bremst ihn dann immer ein und so mussten sie die Idee aufgeben, Sockel für Koprozessoren einzubauen. Etwas, was es beim IBM PC gibt, aber beim Amiga wird das gestrichen, denn das ist ja immer noch primär eine Spielemaschine und dafür ist ein Koprozessor, ein mathematischer Koprozessor für Gleitkommaberechnungen oder sowas irrelevant. Und außerdem kostet das zu viel Geld. Brauchen wir einen extra Sockel und extra Platz im Gehäuse und auf der Platine? Das machen wir nicht, wird also gestrichen. Und wie viel Speicher bekommt dieser Chip jetzt? Nun, der 68.000 kann eine ganze Menge Arbeitsspeicher adressieren, bis zu 16 Megabyte.
Henner:
[1:04:17] Aber das ist natürlich eine illusorische Menge. Sowas gibt es erst in den 90ern. Der IBM PC ist ja anfangs auch noch auf 640 Kilobyte beschränkt. Und der Lisa von Apple, der kriegt immerhin ein Megabyte. Aber 16 Megabyte sind dann doch noch etwas zu futuristisch. So einigt man sich erst mal für die ersten Prototypen von Lorraine auf 512 Kilobyte.
Henner:
[1:04:42] Später treibt das Management diese Menge aber runter auf 128 Kilobyte. Der Kampf ist noch nicht ganz ausgestanden. Ja, da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Später wird es dann doch wieder ein bisschen mehr. Aber erst mal arbeiten sie mit der Annahme, dass diese Maschine 128 Kilobyte Arbeitsspeicher bekommt.
Henner:
[1:05:00] Aber die stehen ja nicht nur der CPU zur Verfügung, sondern auch dem Chipsatz, der ja, wie du es beschrieben hast, über DMA, Direct Memory Access, direkt auf den Speicher zugreifen kann. Das ist ein ganz wesentliches Funktionsprinzip hier im Amiga. Und Nicholson, der hat das mal so erklärt, ja, DMA, dieses Prinzip gab es damals natürlich schon, aber das wurde meistens verwendet dafür, um Daten vom Festplattencontroller in den Speicher oder zu einer seriellen Schnittstelle zu übertragen. Aber wir, wir haben diese Technik perfektioniert und verallgemeinert, sodass per DMA jetzt auch Dinge vom Speicher auf den Blitter oder vom Blitter direkt auf den Speicher übertragen werden können. Also jetzt können wirklich alle Bauteile, alle Chips innerhalb dieses Chipsatzes direkt auf den Arbeitsspeicher zugreifen und dort Daten ablegen. Also sie vervollkommen nun dieses Prinzip jetzt. Das ist ganz wesentlich für die Funktionsweise und für die Leistungsfähigkeit des Amigas.
Henner:
[1:05:58] Wie groß muss jetzt dieser Chipsatz überhaupt sein? Bislang ist noch gar nicht klar, wie viele Chips man überhaupt braucht. Wir haben ja vorhin die Atari 400 und 800 beschrieben, die haben ja drei Chips, die der CPU zur Seite stehen und verschiedene Aufgaben übernehmen. Jetzt ist das Lastenheft definiert. Wir wissen, was überhaupt alles rein soll in den Computer. Und jetzt ist damit auch klar, wie viel Chipfläche, wie viele Transistoren sie dafür brauchen.
Henner:
[1:06:22] Und dadurch ergibt sich, ja, das passt nicht auf einen Chip, das passt auch nicht auf zwei Chips. Der Amiga bekommt drei Zusatzprozessoren.
Henner:
[1:06:31] Also einen Chipsatz aus drei Chips, genau wie bei den Atari-Rechnern zuvor. Und auf diese drei Chips werden alle geplanten Funktionen jetzt verteilt. Je nachdem, wo gerade noch Platz ist, wird eine Funktion hingestopft. Und diese drei Chips, die bekommen auch schon wieder weibliche Codenamen. Wie ist die Tradition verlangt? Wir stellen die Chips mal kurz vor. Da ist zunächst mal Portia, die später allerdings Paula heißt. Und wir bleiben mal bei diesem Namen, damit es nicht zu verwirren wird. Also Paula ist später zuständig für die Ansteuerung der meisten Ports, also Anschlüsse und des Kettencontrollers. Und auch für die Audio-Funktion. Für die Grafikfunktion ist Daphne zuständig. Die heißt allerdings später Denise. Und die bekommt, weil dann halt noch ein bisschen Platz übrig ist auf dem Chip, auch noch Maus- und Joystick-Steuerung angeflanscht. Und der dritte Chip im Bunde heißt Agnus. Das ist ein Akronym, denn A-G am Anfang, das steht für Address Generator. Das Agnus-Chip ist ein Adressengenerator. Es geht hier um Arbeitsspeicheradressen, denn der übernimmt das DMA-Management. Also der regelt diesen CPU-unabhängigen RAM-Zugriff für den ganzen Chipsatz. Der Blitter kommt dann auch noch mit rein, wieder mal, weil gerade Platz drin ist. Agnus wird aber nicht umbenannt, behält diesen Namen bis zum Schluss. Was ein bisschen auffällt, das sind ja alles normale Frauennamen, Paula und Denise zumindest.
Henner:
[1:07:55] Agnes auch, aber eigentlich schreibt sich Agnes mit einem E am Ende. Agnus im Amiga schreibt sich aber mit einem U.
Henner:
[1:08:02] Und das geht angeblich darauf zurück, dass J. Minor dann eine andere Bedeutung in diesem Namen sieht, nämlich Agnus, das ist ein lateinisches Wort und das heißt Lam und das kennt man aus der liturgischen Formel in der katholischen Kirche, Agnus Dei, Lam Gottes, also Jesus, ja, das ist hier für ihn die Herleitung und deswegen schreibt man Agnus mit einem U. Ich weiß nicht, ob Jay Miner ein besonders religiöser Mensch war, kann sein, vielleicht hat er auch nur ein Faible für die lateinische Sprache. Naja, und diese drei Chips, die entsprechen ungefähr ihren Vorgängern im Atari 400 und 800, also Paula entspricht weitgehend Pokey, Denise hat ähnliche Aufgaben wie CTA und Agnus hat Ähnlichkeiten zu Antic.
Gunnar:
[1:08:43] Erste Prototypen haben sie dann im Spätsommer 1983 lauffähig. Zuerst kriegen sie Paula hin und zuletzt dann Agnes. Noch sind es keine Mikroprozessoren, denn Amiga hat, anders als Commodore, ja keine eigene Chipfabrik. Der Chipsatz besteht daher noch aus handgefertigten Platinen mit mehreren tausend Bauteilen, verbunden durch unzählige feine Drähte. Das stellen sie dann hochkant auf und fächern das auf wie ein Buch, das ist an einem Meter hoch. Und das System ist noch nicht alleine lauffähig, es hängt an einer Workstation vom Typ Sage vor, die auch auf dem Motorola 68000 basiert.
Gunnar:
[1:09:20] Und zu dieser Zeit geht der Firma das Geld aus. Die Einnahmen aus dem Zubehörgeschäft sind versiegt. Meiner und Morris helfen mit eigenen Mitteln aus, mit ihrem persönlichen Geld, nehmen Hypotheken auf, um das Unternehmen am Leben zu erhalten. The Cure, der ja ohnehin nur Berater ist und als solcher quasi am entbehrlichsten, muss schon aus Kostengründen im Frühjahr gehen, aber seine eher theoretische Arbeit am Chip-Design ist da ja auch schon weitestgehend abgeschlossen. Für die praktische Umsetzung, die Softwareentwicklung und vor allem die Markteinführung braucht Amiga jetzt aber dringend frisches Geld.
Gunnar:
[1:09:55] Die Seimers Mutter Intermedics und deren Besitzer Rollins waren bislang die wichtigsten Geldgeber für das Amiga-Projekt. Aber das Start-up kann nun nicht mehr auf die bauen, denn die Aussichten erscheinen den Finanziers jetzt nicht mehr so rosig. Anfangs ging es um eine günstige Konsole für den boomenden Spielemarkt. Und jetzt soll das Gerät gegen Apple und IBM antreten können? Dafür geben sie kein Geld. Morse kontaktiert dann den Investor Bill Hart, der war zuvor mal wirtschaftlicher Berater für Amiga, der sucht nach neuen Geldgebern und findet dann bis zum Dezember 1983 eine kleine Gruppe risikofreudiger Investoren. Und die verschaffen dem Amiga eine womöglich letzte Chance. Denn er soll einen Auftritt bekommen auf der Winter CES 1984 im Januar. Und auf der Messe soll Amiga dann weitere Investoren überzeugen. Nein, sie müssen dann weitere Investoren überzeugen, sonst ist es aus. Und in den letzten Tagen des Jahres 1983, kurz vor der CES, erleben die Ingenieure und Softwareentwickler quasi in den Amiga-Büros und schaffen es in unzähligen Überstunden schließlich, diesen Prototyp für seinen ersten Messeauftritt vorzubereiten. Dann wird dieses fragile System sorgfältig verpackt und nach Las Vegas geflogen, denn von dem Auftritt in Las Vegas hängt alles ab.
Henner:
[1:11:13] Ja, ich kann mir vorstellen, da sind sie ziemlich ins Schwitzen geraten. Ich fand das immer schon schwierig, einen PC für eine LAN-Party einzupacken und vorsichtig zu transportieren. Aber hier haben sie ja nicht mal einen monolithischen Rechner, sondern sie haben diese riesigen Platinen, die über unendlich viele feine Drähte miteinander verbunden sind. Da darf nichts reißen, da darf überhaupt nichts schief gehen, sonst funktioniert das alles nicht mehr. Also das ist heikel. Aber es klappt, das Gerät funktioniert tatsächlich in Las Vegas, dank der Überstunden, die sie da Ende 83 gemacht haben. Also das war eine Crunch-Phase, wie man sie auch aus der Spielebranche kennt.
Henner:
[1:11:50] Dieser Auftritt auf der Winter-CES ist noch nicht öffentlich. Also wenn man als gemeiner, normaler, sterblicher Messebesucher dort zu Amiga kommt, dann sieht man Lorraine nicht. Der wird nur hinter verschlossenen Türen gezeigt. Vorne sieht man nur die Joysticks und das Joyboard. Das, was kein Mensch mehr sehen will, weil der zugehörige Markt längst zusammengebrochen ist. Das wirklich Spannende und Entscheidende passiert hinter verschlossenen Türen für ausgewählte Interessenten, Branchenbeobachter und mögliche Investoren wird dort Lorraine vorgeführt. Dazu sieht man dann ein paar Skizzen von Jay Miner, der hat ja einige Entwürfe gemacht dafür, wie der Computer am Ende aussehen könnte, aber ein fertiges Design kann man hier ja noch nicht präsentieren, deswegen müssen diese Skizzen erstmal reichen. Und das Ganze ist verknüpft mit einer konkreten Ankündigung, die sehr ambitioniert ist. Das ganze System, also der fertige Amiga, soll Ende 1984 erscheinen. Wir sind hier noch im Januar und weniger als 1000 Dollar kosten. Das ist mal eine Ansage für einen Supercomputer, der viel mehr kann als zum Beispiel ein Apple II oder ein IBM PC, aber günstiger sein soll als diese.
Henner:
[1:12:58] Nun, womit zeigt man einen Rechner? Im Idealfall mit Software, aber die gibt es noch gar nicht. Denn naja, Spieleentwickler hat Amiga sowieso nicht mehr. Und die Softwareentwickler, die haben einige Demoprogramme vorbereitet, welche jetzt die technischen Fähigkeiten dieses Computerprototyps präsentieren sollen. Da gibt es Berichte über eine Art Hundesynthesizer, den sie geschrieben haben. Also sie haben Hundegebell aufgenommen, digitalisiert. Ich glaube nicht das von Mitchie, von dem J-Minor Hund, sondern von irgendeinem anderen. Und das in eine Art Software-Synthesizer übertragen, sodass man jetzt, je nachdem welche Taste man drückt, dieses Gebell in einer anderen Tonhöhe abgespielt wird. Das ist natürlich technisch sehr eindrucksvoll für das Frühjahr 1984, denn digitalisierte Samples wird man überhaupt nur sehr selten und hier sind sie ja quasi auch noch interaktiv. Ein bisschen weniger interaktiv ist eine andere Demo, die aber trotzdem noch wichtig wird und auch der heimliche Star dieser Vorführung ist. Das ist die Boeing-Demo. Klingt nicht so spektakulär, ist aber ganz wichtig für die Zukunft des Amigas. Das ist so eine Art Fußball, also auf jeden Fall mal ein Ball. Sehr groß, rund, okay, wenig überraschend. Und der ist rot und weiß gescheckt. Und der hüpft auf dem Bildschirm so einigermaßen physikalisch korrekt auf und ab. Mehr nicht. Da ist noch kein Sound dabei. Der hüpft auch noch nicht nach links und rechts. Nein, der hüpft einfach nur auf und ab. Das ist trotzdem schon spektakulär genug, denn sowas hat man auf einem PC bis dahin noch nicht in dieser Güte gesehen.
Henner:
[1:14:27] Später kommt dann noch eine neuere Version dieser Demo, aber auf die kommen wir später noch zu sprechen. Die hat dann auch Sound. Nun, die Reaktionen auf das, was dort zu sehen und zu hören ist, sind sehr positiv in der Presse. Es gibt ja, wie gesagt, auch einige ausgewählte Pressevertreter, die Lorraine in Aktion erleben dürfen. Und die sind durchaus begeistert. Die Creative Computing US-Zeitschrift, die schreibt damals, Lorraine sei der Hit der Messe gewesen. Auch wenn der Autor selbst kaum glauben könne, dass diese Maschine ausgerechnet von den Leuten stamme, die das Joyboard gemacht haben. Das hat man denen also nicht zugetraut. Also wenn es J. Miners Plan wirklich war, mit diesen seltsamen Controllern die Branche in die Irre zu führen, dann ist es ihm gelungen. Das glaubt keiner, dass das dasselbe Team sein soll. Der Amiga sei die eindrucksvollste Grafik- und Soundmaschine, die jemals auf dem Consumer-Markt angeboten wurde. Und das sei ein Gerät, auf das Hunderttausende Grafik- und Soundfans gewartet hätten. Wow. Er bemängelt auch was, nämlich fehlende Kompatibilität zum kommenden PC Junior von IBM, denn der würde ja sicherlich der neue Heimcomputer-Standard. Naja, es kommt anders, aber das kann man damals noch nicht wissen. Das ist aber auch die einzige Kritik, die die Presse äußert. Also keine PC-Kompatibilität, alles andere ist fantastisch. Aber haben sie denn jetzt auch Geldgeber gefunden, Gunnar?
Gunnar:
[1:15:47] Nee, erst mal nicht, aber die Rettung naht dann trotzdem.
Gunnar:
[1:15:54] Schon vor der Messe im November 83 hatten Morris & Hart das System einer bekannten Branchengröße angeboten, Atari, nämlich genau das Unternehmen, das die 16-Bit-Vision von Miner & Dequeur 1 zurückgewiesen hat. Das soll nun einspringen hier bei der Firma, der das Geld ausgeht. Und Atari war damals zumindest milde interessiert. Sie haben noch keinen Vertrag gemacht. Es gab so ein Letter of Intent, so eine Absichtserklärung, mit der Atari nichts weiter zugesagt hat, als die Technik mal für eine mögliche Lizenzierung zu prüfen. Und dann hat die Atari-Delegation aber auf der CES halt diese Demo live sehen können und dann wächst ihr Interesse. Und nun nehmen die Verhandlungen Fahrt auf. Atari hat nämlich jüngst einen Flop hingelegt mit dem Modell 5200, dem Nachfolger des 2600 der Videospielkonsole und ist auf der Suche nach einem neuen System, will sich aber wegen des eben gerade frisch zusammengebrochenen Marktes nicht auf eine neue Konsole beschränken. Sie zeigen auch Interesse an der Verwendung des Chipsatzes für einen Heimcomputer oder für Arcade-Automaten. In dem Geschäft sind sie ja auch noch. An einem Konkurrenten auf dem Computermarkt ist Morse nun überhaupt nicht interessiert für seinen Amiga, aber er kann nicht wählerisch sein und muss deswegen erstmal mit Atari sprechen.
Gunnar:
[1:17:14] Und so unterzeichnet er dann am 7. März 1984 einen vorläufigen Vertrag mit Atari, der ihnen das Überleben sichert, aber zu einem sehr hohen Preis. Das war, sagt Mayener später, eine dumme Vereinbarung, aber wir hatten keine Wahl.
Henner:
[1:17:29] Ja, sie haben keine Wahl. Atari rettet hier Amiga. Das Überleben, kann man nicht anders sagen. Aber das lassen sie sich auch teuer bezahlen. Also die kurzfristige Lösung für die Rettung des Unternehmens, das ja nun mal dringend Geld braucht, zahlt Atari an Amiga 500.000 US-Dollar. Das ist ein Sofortdarlehen, das in dieser Form auch gar nicht unbedingt zurückgezahlt werden soll. Im Vertrag steht aber noch mehr. Es soll nämlich noch eine weitere Million später folgen, sobald ein finales Lizenzabkommen ausgehandelt ist. Das ist hier noch nicht der Fall. Erstmal geht es nur um die kurzfristige Rettung und alles Weitere wird dann später geklärt. Also sobald ein richtiger Vertrag über die Lieferung des Chipsatzes ausgehandelt ist, kommt noch eine weitere Million hinterher und dann später nochmal 500.000 pro Chip, also 1,5 Millionen für die Lieferung des Chipsatzes an Atari. Wenn all das abgeschlossen ist, dann hat Amiga also von Atari insgesamt 3 Millionen Dollar bekommen und soll das Geld dann am Ende auch zurückzahlen, aber nicht in bar, sondern in Form von Aktien. Das ist erstmal das, was vereinbart wird. Aber das ist noch nicht alles.
Henner:
[1:18:35] Denn da steht ja also im Raume, dass es noch ein weiteres, ein richtiges finales Lizenzabkommen geben soll, was die Details dann regelt. Und für dieses noch auszuhandelnde Lizenzabkommen gibt es in diesem Vertrag, der am 7. März unterschrieben wird, schon mal einen Vorschlag. Da ist also genau ausgearbeitet, wie dieses Lizenzabkommen aussehen könnte. Und nach diesem Vorschlag heißt es, würde Atari den Chipsatz also bekommen für eine eigene Konsole und für Arcade-Automaten. Und ab März 86, also nach einer Übergangsfrist, dürfte Atari ihn dann auch in einem eigenen Computer einsetzen. Das versucht Amiga natürlich möglichst zu verhindern und nach hinten zu schieben, denn die wollen ja ihren eigenen Computer verkaufen und keine Atari-Konkurrenz. Aber ab März 86 dürfte Atari das nach diesem Vorschlag dann auch. Der soll kompatibel sein zum Amiga, ist ja auch der gleiche Chipsatz drin, aber trotzdem separat verkauft und auch in anderen Geschäften verkauft, soll einen anderen Markt adressieren. investieren. Die Lizenzgebühren, die dann auch vorgeschlagen sind erstmal nur, die wären sehr gering für die Konsolen und die Computer legen die bei nur zwei Dollar pro Stück. Für die Arcade-Maschinen sind es mehr, da sind es 15 Dollar, aber da sind ja doch die Stückzahlen nicht so groß.
Henner:
[1:19:48] Nun dieses Lizenzabkommen, was hier skizziert wurde, das ist wie gesagt nur ein Vorschlag, das hat noch keine rechtliche Bindung. Ist also eigentlich irrelevant, könnte man meinen, aber so einfach ist es nicht. Denn diese Vereinbarung vom 7. März, die sagt noch was anderes. Die sagt nämlich, wenn nicht innerhalb der nächsten drei Wochen, also bis 31. März 1984, ein finales echtes Lizenzabkommen unterzeichnet wird zwischen Amiga und Atari, dann muss Amiga das Darlehen von den 500.000 Dollar zurückzahlen. Und zwar bis 30. Juni plus Zinsen. So, wenn das auch nicht geschieht, wenn sie also diese 500.000 Dollar nicht zurückzahlen können, dann tritt das Lizenzabkommen so in Kraft, wie es gerade vorgeschlagen wurde. Aber mit einer nicht unerheblichen Änderung, denn dann muss Atari überhaupt keine Lizenzgebühren mehr zahlen für die einzelnen Chips. Das heißt, damit gehört ihnen der Amiga-Chipsatz praktisch mit allen Bauplänen komplett. Damit können sie machen, was sie wollen. Das wäre für Atari wirklich ein unschlagbarer Deal. Wahnsinnig günstig und in kürzester Zeit kämen die jetzt eine komplett neue Gerätegeneration, die sie für alles mögliche einsetzen können. Für Amiga wäre das natürlich das Horrorszenario. Die haben dann überhaupt keine Chance mehr, was eigenes zu bauen.
Henner:
[1:21:02] Allen ist klar, die diesen Vertrag unterzeichnen, Amiga kann diese halbe Million, diese 500.000 Dollar zum Freikaufen aus eigener Kraft nicht aufbringen. Die sind ja am Ende, es geht ja gerade ums Überleben. Die können also 500.000 Dollar bis 30. Juni nicht zurückzahlen. Und damit ist eigentlich auch allen klar.
Henner:
[1:21:20] Atari hat bald die Kontrolle über die Amiga-Technik. Der Amiga wird ein Atari-Computer. Spoiler wird er nicht, aber so sieht es danach aus. Und Atari fängt dann auch ganz optimistisch an, einen eigenen Computer auf Basis dieses anstehenden Amiga-Chips zu entwickeln. Das ist das Modell 1850XLD, also zu der Zeit aktuell ist ja die XL-Heimcomputer-Reihe immer noch 8-Bit-Computer. Und innerhalb dieser Reihe soll dann ein Modell namens 1850XLD entstehen, Codename Mickey. Und das ist also der Amiga-basierte Heimcomputer von Atari. Damit fangen sie halt schon mal an, weil die haben ja den Chipsatz quasi in der Tasche. Laut Vertrag müssen die Amiga-Techniker ihnen dabei aber auch helfen. Die sollen bei Atari gefälligst antanzen und ihnen helfen, diesen Computer zu entwickeln.
Henner:
[1:22:09] Aber so kommt es nicht. Wir haben es ja gerade beschrieben, die erste Deadline ist der 31. März. Bis dahin soll ein finales Lizenzabkommen unterzeichnet sein. Das passiert aber nicht. Dave Morse pokert, pokert richtig hoch und der unterschreibt das einfach nicht. Der geht kein Lizenzabkommen ein. Es gibt kein Abkommen zwischen Amiga und Atari, denn Dave Morse will einfach der Konkurrenz diese Technik nicht überlassen. Es ging ihm nur darum, das Unternehmen zu sichern. Der wollte diese 500.000 Dollar, um irgendwie das Geschäft über die nächsten Wochen zu bringen und nicht alle entlassen zu müssen.
Henner:
[1:22:44] Aber er hat überhaupt kein Interesse daran, mit Atari irgendeinen Deal einzugehen. Deswegen macht er das nicht. Tja, und jetzt läuft die Zeit. Bis 30. Juni muss Amiga also einen neuen Geldgeber finden, wieder mal, die Geschichte wiederholt sich, um dieses Atari-Darlehen zurückzahlen zu können. Also diese 500.000 Dollar und nicht alles zu verlieren. Also es ist etwas verworren alles. Es gibt auch ganz andere Darstellungen dieser Geschichten. Je nachdem, welches Buch man liest und welches Interview man führt. Es gibt auch Zeitzeugen, die behaupten, Amiga hätte jetzt noch bis zum 30. Juni Zeit, ein neues Lizenzabkommen mit Atari einzugehen und zu unterzeichnen. Aber im Vertrag steht das nicht so. Im Vertrag heißt es, nee, jetzt müsst ihr das Geld zurückzahlen, sonst kriegen wir alles. Da ist nicht die Rede von weiteren Verhandlungen. Es kann sein, dass Atari durchaus noch die Tür offen lässt für weitere Verhandlungen, dass die noch ein bisschen offen sind. Aber eigentlich laut Vertrag gilt, Amiga muss bis 30. Juni dieses Geld aufbringen, um sich freikaufen zu können. Ansonsten geht alles an Atari. Dann hätte Atari alles und Amiga nix. So, jetzt brauchen sie also wieder mal einen neuen Geldgeber. Jemand, der sie zum zweiten Mal rettet. Und wieder mal hängt das Schicksal des Amigas an einem Messeauftritt, an einer CES. Wie so oft.
Gunnar:
[1:24:02] Die Wichtigkeit der CES ist echt nicht überzubetonen in diesen Jahren.
Gunnar:
[1:24:06] Ja, das ist der Ort, wo alles passiert. Am 3. Juni 1984 beginnt in Chicago die Sommer-CES. Die gibt es ja immer im Winter und Sommer. Das ist vier Wochen vor Ablauf des Ultimatums und nochmal zeigt Amiga da ausgewählten Besuchern ein Lorraine-Prototyp, aber schon eine neuere Version mit echten Chips. Und damit sie die Zweifel potenzieller Investoren zerstreuen, deuten sie auch an, dass das Ding DOS-kompatibel werden kann, indem man dann so ein Intel 8088-Prozessormodul da noch drauf tut. Und außerdem soll ein Modem eingebaut sein und es soll Bürosoftware beiliegen und es soll auch gar nicht mehr 1000 Dollar kosten, sondern gleich 1500 Dollar und trotzdem aber Ende 1984 fertig sein.
Henner:
[1:24:51] Ja, wir haben ja vorhin schon gesagt, das ist eigentlich ein Wunschkonzert aus Features, das hier für den Amiga geplant ist. Und jetzt stopfen sie da noch mehr rein. Alles, was die Branche will und hören will, DOS-Kompatibilität, ja, ja, kommt rein. Modem für dieses moderne aufkommende Internet kommt auch mit rein. Und Software, habt ihr Sorgen, dass es nicht genug Software geben könnte? Ja, kein Problem. Bürosoftware packen wir auch noch mit rein. Also die versprechen jetzt einfach alles, um irgendwie, ganz verzweifelt sind die natürlich, um irgendwie einen Investor zu finden. Aber man muss sich nochmal vergegenwärtigen, welchen Druck die haben. Es ist der 3. Juni und bis 30. Juni brauchen sie einen Investor, um sich von Atari freikaufen zu können.
Gunnar:
[1:25:29] Und sie brauchen ja vor allen Dingen nicht nur den Investor, sondern auch das Geld schon. Das ist ja auch immer noch ein Prozess, der ein paar Tage dauern kann, bis das Geld dann wirklich da ist, selbst wenn sie einen Investor sofort finden. Aber das ist alles wurscht. Man muss auch gar keine Angst haben. Die ganzen Erzählungen rund um diese Extrasachen hätte es vielleicht gar nicht gebraucht. Sie haben ja ihre Geheimwaffe dabei und das ist die Boeing-Demo. Sie haben jetzt eine neue, eine verbesserte Demo dieses Balles. Der bewegt sich jetzt auch seitwärts. Es gibt ein tiefes metallisches Prallgeräusch, das entstand, als der Softwareentwickler Bob Pariseau einen Schaumstoffschläger gegen ein Garagentor geschlagen hat. Wir hören mal kurz. Genau, wahrhaft multimedial. Und der Ball wirft sogar noch einen Schatten. Das ist halt sensationell damals. Und dann haben sie noch eine Demonstration einer Sprachsynthese-Software namens Softvoice. Für die hat Amiga eine Lizenz gekauft und eine Regenbogendemo, die alle 4096 Farben zeigt. Wow! Und da braucht man gar nicht mehr so viele Versprechungen eigentlich. Die können ja zeigen, ja, show not tell. Die können ja zeigen, was da geht mit dem Gerät. Und die Compute ist hingerissen. Sie nennt den Amiga den fortschrittlichsten jemals entwickelten PC, denkt, dass er eine neue Generation einläuten könne und stark genug sei, um einen IBM-PC wie einen Taschenrechner wirken zu lassen.
Henner:
[1:26:54] Wow.
Gunnar:
[1:26:55] Als der Redakteur dann diese Regenbogendemo in seinem Artikel erwähnt, fühlt er sich noch bemüßigt dazu zu schreiben, dass das kein Tippfehler sei mit den 4096 Farben, das sei dann doch echt. Und diesmal ist nicht nur die Presse davon begeistert, sondern ein potenzieller Investor hört hier an dieser Stelle auch zu.
Henner:
[1:27:13] Ja, jetzt kommt nämlich Commodore ins Spiel. Auf der Juni-Messe, die das Amiga-Projekt retten soll, präsentiert das Amiga-Team diesen Prototyp in seiner neuesten Version natürlich weiteren möglichen Investoren, darunter auch anderen Branchengrößen. Sie bieten sich jetzt auch etablierten PC- und Computerherstellern an, darunter Sony, HP, Philips, Apple ist dabei, hat aber kein Interesse.
Henner:
[1:27:36] Silicon Graphics und da ist noch ein weiterer Hersteller in dieser Aufzählung, der natürlich fehlt, Commodore und die sind interessiert. Das ist ein bisschen erstaunlich, denn eigentlich scheint für Commodore ja eigentlich alles gerade nach Plan zu laufen. Die schwimmen gerade auf einer Erfolgswelle. Sie sind gerade offiziell erkoren worden zum Milliardenunternehmen. Sie sind also eine richtige Branchengröße. Hätte man gar nicht geglaubt von dem ehemaligen Schreibmaschinenhersteller. Und die haben ja jetzt einen Hit nach dem anderen auf den Markt gebracht, auf den Heimcomputermarkt, zuerst den VC20, der, könnte man sagen, den Heimcomputermarkt eigentlich erst begründet hat und 1982 kam dann ja noch der C64, wie wir alle wissen, ein riesiger Hit. Aber dieser Erfolg, der ist sehr teuer erkauft durch massive Preissenkungen. Commodore drückt den Preis immer, immer weiter runter, um die Konkurrenz aus dem Markt zu drücken, aber das geht natürlich auf Kosten der Marge, also Commodore verdient daran nicht mehr so viel. Und es fehlt ihnen noch etwas, es fehlt ein Nachfolgemodell. Denn der C64 ist immer noch eine alte 8-Bit-Maschine, der basiert auch auf dem 6502, wie so viele andere auch. Aber es wäre langsam mal Zeit für was Neues, für ein Nachfolgemodell, einen Heimcomputer der nächsten Generation, nach Möglichkeit ein 16-Bit-Modell. Aber sowas ist nicht in Sicht. Commodore hat schon mal einen Nachfolger angekündigt für den C64, den C128, aber der verspätet sich. Der braucht noch eine Weile und das ist auch kein 16-Bit-Gerät.
Henner:
[1:29:05] Und auf der Messe, auf der Sie gerade sind, hier auf der CES, zeigen Sie ein paar neue Modelle, den Plus 4 und den C16. Aber das sind auch wieder alte 8-Bit-Geräte, Verwandte vom C64, die zudem aber nicht vollständig kompatibel sind und die auch niemanden wirklich begeistern. Viele in der Presse und auch bei Commodore selbst fragen sich, was soll denn das? Das ist nicht die nächste Generation, auf die wir gewartet haben. Commodore arbeitet schon an einem 16-Bit-Modell. Das heißt unternehmensintern C900. Hat keinen schönen Frauennamen, ein bisschen enttäuschend. Und das ist ein 16-Bit-Computer auf Basis dieses Zylog Z8000-Prozessors, aber der verspätet sich ständig. Und das ist auch mehr so eine Workstation als ein echter C64-Nachfolger. Das ist also kein Heimcomputer. Das heißt, Commodore braucht dringend einen neuen Heimcomputer. Und wie sich später herausstellen wird, wir sind ja heute ein bisschen schlauer als die Menschen damals, der C128 wird den C64-Erfolg nicht wiederholen, wird also kein vollwertiger Nachfolger. Die Modelle Plus4 und C16, die floppen, die werden nach kürzester Zeit wieder eingestellt. Und der C900, der kommt gar nicht erst raus.
Henner:
[1:30:12] Was man damals auch noch nicht weiß, das Geschäftsjahr, was damals gerade erst beginnt im Juni 84, das wird Commodore mit Verlusten abschließen, nach großen Gewinnen im Vorjahr. Und da kommt noch ein Problem hinzu für Commodore, deren Gründer und langjähriger Präsident Jack Trammell, der hat das Unternehmen im Januar 84 im Streit verlassen und viele talentierte Ingenieure sind ihm gefolgt, darunter auch einige aus dem C64-Kernteam. Das heißt, Commodore ist überhaupt nicht in der Lage, einen vollwertigen Nachfolger zu entwickeln. Es fehlt also an Entwicklern, es fehlt an Führung und es fehlt an einer Perspektive. Und das zeigt auch der Aktienkurs. Die Aktionäre verlieren auch das Vertrauen in Commodore. Im Laufe des Jahres 1984 sinkt der Commodore Aktienkurs von 60 auf 20 Dollar. Das ist vernichtend für dieses Unternehmen, das eigentlich auf dem Papier doch gerade so fantastisch dasteht. Aber es gibt eine Menge Probleme und im Juni 1984 ist Commodore also sehr offen für das, was das kleine Amiga-Team auf der CES in Chicago präsentiert. Die haben Interesse.
Gunnar:
[1:31:18] Direkt nach der Messe am 8. Juni, da versammelt sich die Ingenieursabteilung von Commodore zur Analyse dessen, was die Mitbewerber da vorgestellt haben. Und der Commodore-Ingenieur Heini, Dave Heini, der hat dazu erzählt, das sei das erste Mal gewesen, dass sie von diesem Omega-Computer gehört haben.
Henner:
[1:31:38] Wie heißt der?
Gunnar:
[1:31:39] Ein Omega-Computer, so wie Alpha, mit einem O. Und dann beschließt man, sich dieses erstaunliche Gerät mal anzusehen. Und dann wird es später von meiner vorgeführt bei Commodore Direkt. Und der erzählt dann den Commodore-Leuten auch erstmal, dass es Amiga heißt und nicht Omega.
Henner:
[1:31:57] Unangenehm.
Gunnar:
[1:31:58] Bisschen feindlich. Und dann 16-Bit-Architektur, fortschrittliche Grafiktechnologie und noch kompatibel zum IBM-PC. Und dann noch dieser niedrige Preis. Das scheint ja genau das zu sein, was Commodore jetzt braucht. Und das Amiga-Team braucht dringend Geld und Personal, um ihn fertigzustellen. Da geht doch was zwischen diesen beiden Firmen. Haney erzählte, das sieht doch nach der richtigen Richtung aus für ihn. Deswegen haben sie begonnen zu prüfen, ob sie den Amiga kaufen können. Aber viel Zeit ist ja nicht mehr, sonst passiert ja hier der GAU und das ganze Ding fällt an Atari. Also wenn Amiga bis zum 30. Juni, das sind ja jetzt nur noch drei Wochen, dieses 500.000 Dollar Darlehen nicht zurückzahlt, dann ist der Chipsatz freiwillig für Atari. Dieses Szenario gilt zu verhindern. Im Juni wird auch bekannt, dass Chamele, der geschaste Commodore-Gründer, nun die Übernahme seines ehemaligen Konkurrenten Atari plant. Und das geschieht auch schon, am 2. Juli wird der Deal vollzogen. Chamele kauft die Atari-Heimgerätesparte, Warner behält die Arcade-Abteilung und Chamele kontrolliert damit das Geschäft mit Konsolen und Computern. Und damit ist dem Amiga-Team nun erst recht klar, dass ihr Rechner unter dem als rücksichtslos geltenden Tremel gar keine Überlebenschance haben wird. Commodore ist jetzt die letzte Chance.
Henner:
[1:33:18] Ja, jetzt überschlagen sich die Ereignisse hier im Juni 84. Sowohl bei Amiga, da geht es ja ums Überleben, als auch bei Commodore. In gewisser Weise geht es da auch um deren Zukunft. Die haben alle Angst vor Tramiel, was der mit Atari anstellt. Der wird ja dort dann den ST rausbringen. Und die haben Angst um ihren eigenen Markt, um den Heimcomputermarkt. Die brauchen dringend neue Technik. Sie ist da zum Greifen nahe, aber jetzt müssen sie schnell Nägel mit Köpfen machen, um Amiga irgendwie zu retten. Und all das will in wenigen Wochen ausgehandelt werden und das passiert jetzt auch.
Henner:
[1:33:50] Commodore beschließt, sie wollen die Lorraine-Technik übernehmen. Es ist noch nicht ganz klar in diesem Moment, was genau das bedeutet, ob sie jetzt die ganze Firma übernehmen oder erstmal nur den Chipsatz, ob es nur um ein Lizenzgeschäft geht oder um eine Übernahme. Aber bevor solche Details ausgehandelt werden können, geht es erstmal darum, Amiga zu retten. Sie müssen vor Ablauf dieser Frist vor dem 30. Juni eine Lösung finden für dieses Darlehen. Sie müssen ja 500.000 US-Dollar an Atari zahlen.
Henner:
[1:34:19] Es ist alles sehr, sehr knapp, das sehen wir. Denn am 27. Juni, also drei Tage vor Ablauf dieser Frist, gibt es ein Meeting zwischen Commodore und Amiga. Und dort stimmt Commodore also zu.
Henner:
[1:34:31] Ja, wir retten euch. Ihr kriegt einen Scheck von uns, damit ihr euch bei Atari freikaufen könnt. Es gibt unterschiedliche Angaben darüber, wie hoch dieser Scheck ist. 750.000 Dollar sagen die einen, eine Million sagen die anderen. Es muss mehr sein als 500.000, weil Amiga ja auch noch ein paar andere offene Rechnungen hat und das Geschäft irgendwie weitergehen muss. Mitarbeiter wollen bezahlt werden und so weiter. Und sie müssen ja auch noch Zinsen zahlen auf diesen Betrag von 500.000 Dollar. Das ist auch alles im Vertrag geregelt. Also 500.000 reichen nicht, deswegen ist es ein bisschen mehr und das bekommen sie auch. Und am 29. Juni tauchen dann auch Morse und Hart persönlich im Atari-Hauptquartier auf und versuchen diesen Check loszuwerden über 500.000 Dollar plus X. Ja, das ist sehr schön beschrieben in der Dokumentation, die ich vorhin erwähnte. Das ist wohl gar nicht so einfach, diesen Scheck loszuwerden. Den will da nämlich keiner haben oder die Leute, auf die sie dort treffen, sagen, also ich bin hier nicht befugt, Geld in dieser Höhe entgegenzunehmen. Und im Hintergrund, im Hinterzimmer bei Atari laufen ja auch gerade die Übernahmeverhandlungen mit Jack Trammell. Das passiert ja erst Anfang Juli. Also der ist gerade angeblich vor Ort, sagen einige, und mischt sich auch noch dabei ein und sagt, hey, wenn euch jemand einen Scheck anbietet in dieser Höhe, nehmt ihn an und stellt später Fragen. Ja.
Henner:
[1:35:51] Ob das jetzt stimmt oder eine Legende ist, weiß ich nicht, aber so oder so, am Ende werden sie ihr Geld los, am 29. Juni 1984, ein Tag vor Ablauf der Frist und damit ist es geschafft. Atari ist aus dem Rennen, Lorraine ist frei, Amiga wird also kein Atari-Produkt und das 1850XLD-Projekt, das Atari da geplant hat, dieser eigene Heimcomputer auf Amiga-Technik-Basis, der ist damit auch am Ende schon wieder.
Henner:
[1:36:19] Atari braucht jetzt eine andere Lösung, die gibt es auch schon. Tramell hat in dieser Zwischenphase zwischen seiner Commodore-Zeit und seiner Atari-Übernahme mit ein paar Commodore-Veteranen an einem eigenen Computer gearbeitet, an einem 16-Bit-Computer auf Basis des Motorola 68000. Und das wird jetzt bei Atari fortgeführt und fertiggestellt. Das ist denn der Atari ST und das ist ein Thema für eine andere Folge, auf die ich mich sehr freue. Aber damit ist das Thema Atari erst mal abgeschlossen.
Henner:
[1:36:49] Jetzt geht es nur noch um Amiga und Commodore. Und die müssen jetzt erst mal aushandeln, wie wollen wir denn künftig überhaupt zusammenarbeiten? Das ist ja noch unklar. Wir wurden jetzt erst mal gerettet, vielen Dank, aber was machen wir denn jetzt gemeinsam? Und es gibt einige Stimmen bei Commodore, die wollen die Minimallösung. Die wollen eigentlich nur eine Lizenz für den Chipsatz haben und auf der Basis dann einen eigenen Heimcomputer bauen, einen C64-Nachfolger. Das reicht. Aber es gibt andere, die favorisieren eine Komplettübernahme. Und das wird auch auf Seiten von Amiga favorisiert. Amiga will komplett von Commodore übernommen werden. Zumindest Dave Morris will das. Das gibt ihm natürlich mehr finanzielle Sicherheit. Und das geschieht dann auch. Also Morris überzeugt, seine Verhandlungspartner bei Commodore davon, dass Commodore Amiga jetzt vollständig übernehmen soll.
Gunnar:
[1:37:40] Und diese Übernahme, die verkünden sie dann am 15. August 1984. Commodore übernimmt die komplette Amiga Corporation für 24 Millionen Dollar. Damit steht natürlich fest, dass der finale Amiga ein Commodore-Rechner sein wird. Und Jay Miner sagte 1988, sie haben uns gerettet. Ich glaube nicht, dass Atari das getan hätte. Die hätten sich einfach die Chips geschnappt. Commodore hingegen gab uns das Geld, den ersten Amiga fertigzustellen. Und das kostete eine Menge. Aus der Amiga Corporation wird nun ein Bestandteil des Commodore-Konzerns namens Commodore Amiga Incorporated. Und damit gehen auch personelle Änderungen einher. Rund um die Übernahme verlassen Hart und Nicholson das Unternehmen. 85 geht auch Morse. Es gibt dann aber auch Neueinstellungen. Es gibt ein neues Büro im kalifornischen Los Gatos und neue Arbeitscomputer für das Team. Jetzt müssen sich nicht mehr mehrere Entwickler einen alten Sage teilen, jetzt hat jeder seine eigene Sun-Workstation auf dem Tisch.
Gunnar:
[1:38:38] So ist das bei reichen Firmen. Und der Amiga, der wird wieder mal neu ausgerichtet. Der Ingenieur Bob Russell von Commodore, der will einen C64-Nachfolger machen, einen günstigen, spieletauglichen Heimcomputer.
Gunnar:
[1:38:51] Aber unter Commodores Führung soll der Amiga ja ein Bürorechner werden, der ebenso die alte Pad-Reihe ersetzt wie das C900-Projekt, aber dem C64 dabei auch nicht im Wege steht. Es ist nicht eindeutig, wer diese Umorientierung dann durchsetzt, aber es ist klar, Miner, unser Freund Jay Miner, der befürwortet sie, der will ja schon lange IBM herausfordern. Und diese Umorientierung, die kostet wieder mal viel Zeit. Die Veröffentlichung im Jahr 1984 wird kassiert, nun wird der Juni 1985 angepeilt. Das lag einzig und allein daran, dass wir einen echten Computer machen wollten, sagt R.J. Michael in einem Interview, denn nun braucht der Amiga passende Bürosoftware. Und noch was fehlt.
Henner:
[1:39:37] Da fehlt noch was, ein GUI, eine grafische Oberfläche. Ja, wir müssen noch mal kurz innehalten und das noch mal rekapitulieren. Der Amiga wird jetzt schon wieder neu ausgerichtet. Wie oft ist das jetzt passiert? Hat jemand mitgeschrieben? Ursprünglich war das mal eine 8-Bit-Konsole, dann war es eine 16-Bit-Konsole, heimlich gedacht von J-Minor als Superheim-Computer. Dann wird es dieser Superheim-Computer und jetzt wird es ein Super-Büro-Rechner. Ja, es ist ziemlich irre. Und später, das wissen wir natürlich rückblickend, ist der Amiga dann aber eigentlich primär eine Spieleplattform. Aber daran denkt hier bei Commodore niemand. Die wollen daraus jetzt einen super Bürorechner machen. Warum auch immer. Es ist nicht so ganz eindeutig, wie du schon gesagt hast, wer überhaupt dafür plädiert, wer diese Entscheidung fällt, aber es spricht wohl vieles dafür, dass Commodore Amiga da freie Hand lässt. Die haben die übernommen und sagen denen jetzt, ja jetzt macht mal, ihr seid die Profis, entwickelt ihr mal, was auch immer ihr wollt, wir geben euch das Geld und wir geben euch freie Hand. Und dass Jay Miner jetzt das Sagen hat, der Morris geht ja auch bald, und das durchsetzt in seinem Team, dass dieser Computer jetzt zu einem Bürorechner umfunktioniert wird. Nach wie vor Multimedia-fähig, das wird ja alles nicht aufgegeben. Und diese Spieletauglichkeit, die ist natürlich nach wie vor gegeben, aber es soll trotzdem primär ein Arbeitsgerät sein und nicht mehr primär ein Spielegerät.
Henner:
[1:41:02] Eine etwas seltsame Entscheidung, wenn man bedenkt, was Commodore groß gemacht hat, Aber so ist es halt, zumindest zu diesem Zeitpunkt. Aber was fehlt einem ambitionierten, einem ernsthaften Arbeitscomputer, wie man ihn im Jahr 1985, das ist ja jetzt das neu angepeilte Veröffentlichungsdatum, erwarten kann?
Henner:
[1:41:23] Ja, da fehlt eine grafische Benutzeroberfläche. Das hat ja der Macintosh berühmterweise und den gibt es seit Anfang 84. Hat eine andere auch schon zuvor, aber der Macintosh hat das populär gemacht. Sowas mit Fenstern und Icons und Maussteuerung. Und sowas soll der Amiga jetzt auch bekommen.
Henner:
[1:41:42] Commodore überlegt kurz, eine bestehende grafische Oberfläche zu übernehmen und auf den Amiga zu portieren, denn sowas gibt es ja schon. Es gibt Windows bei Microsoft noch nicht so ganz, das ist noch in Entwicklung, das kriegen sie wohl nicht. Aber bei Digital Research zum Beispiel, da wird GEM entwickelt. Das kommt dann später beim ST zum Einsatz. Das könnte man böswillig als einen Klon von der macOS-Oberfläche bezeichnen. Das sieht dem schon sehr ähnlich, ist aber farbtauglich. Oder es gibt da ja für den C64 von Berkeley Softworks eine Oberfläche, die heißt Geos. Auch das gucken die sich mal an.
Henner:
[1:42:17] Aber das reicht alles nicht. Zumindest gibt es einige Ingenieure und Softwareentwickler bei Amiga oder bei Commodore Amiga, wie die Firma ja jetzt heißt, die damit nicht zufrieden sind und die meinen, das können wir besser. Und das ist vor allem der von dir gerade genannte RJ Michael.
Henner:
[1:42:34] Der arbeitet ja jetzt an einer dieser neuen Sun-Workstations, die gerade fürs ganze Team gekauft wurden. Und auf dieser Sun-Workstation läuft schon eine grafische Oberfläche. Es ist nicht so genau überliefert welche, aber laut Michael ist die deutlich fortschrittlicher als das, was auf dem Markt zu haben ist. Also viel besser als GEM oder dieses GEOS. Deswegen hat er sehr hohe Ansprüche und deswegen fängt er einfach mal im Januar 85 selbst an, so eine grafische Oberfläche zu entwickeln im Alleingang. Das ist primär ein Ein-Mann-Projekt. Naja, er muss nicht bei Null anfangen, er kann schon auf dem grafischen Fundament aufbauen, denn Denise, der zuständige Grafikchip, kann schon Linien zeichnen und Fenster verschieben, Icons verschieben, Fenster ausfüllen, einfarbig und so weiter. All diese Funktionen sind schon definiert in fertigen Software-Bibliotheken, die kann er also alle nutzen, aber trotzdem ist es natürlich eine riesige Aufgabe, ein komplettes GUI, also eine grafische Oberfläche für diesen Computer zu bauen. Und dafür hat er ja nur ein paar Monate Zeit.
Henner:
[1:43:40] Er fängt im Januar an und im Juni wollen sie ja eigentlich schon fertig sein. Es dauert dann doch noch einen Monat länger, aber in diesen Monaten schafft er es tatsächlich. Das ist wieder eine Zeit voller Crunch. Michael sagt dazu, er habe in den meisten Wochen mehr als 100 Stunden gearbeitet, also auch an den Wochenenden.
Henner:
[1:43:58] Und am Ende kommt tatsächlich eine funktionierende grafische Oberfläche dabei raus. Die heißt Intuition, also Intuition, was ein wunderschöner Name ist, muss man mal würdigen.
Henner:
[1:44:10] Aber Intuition ist, anders als bei Macintosh, nicht die einzige Schnittstelle zum Nutzer, sondern es gibt weiterhin eine Kommandozeile. Also man kann den Amiga auch über Tastaturkommandos steuern wie ein IBM PC. Das war von Anfang an geplant. Jetzt kommt eben noch diese grafische Oberfläche hinzu. Und eine Maus ist auch schon länger geplant. Es ist nicht so genau überliefert seit wann, denn in den allerersten Entwürfen war die noch nicht dabei. Aber irgendwann im Laufe der Monate ist also der Plan hinzugekommen, auch eine Maus beim Amiga mitzuliefern. Und das kommt dem Michael jetzt natürlich entgegen, denn eine Maus braucht er für seine grafische Oberfläche ja zwingend. Diese Maus wird extern entwickelt, das macht also Amiga nicht selbst, dafür beauftragen sie ein Designstudio, das auch vorher schon das Joyboard und die Powersticks entworfen hat für Amiga und die dürfen auch die Tastatur bei der Gelegenheit gleich noch mitentwickeln.
Henner:
[1:45:04] Und so fügt sich das Ganze zu einem Gesamtpaket zusammen. Die Hardware und die Software nähern sich jetzt der Fertigstellung und mit jedem Prototyp ist die Serientauglichkeit näher. Lorraine ist mittlerweile allerdings passé. Auf Lorraine folgt ein neuer Prototyp, der heißt Velvet und auf Velvet folgt Zorro. Ich weiß nicht, ob das der Name irgendeiner Ehefrau ist, vermutlich nicht. Und auf Zorro folgt schließlich der fertige Amiga. Aber vorher sind noch ein paar kleine Entscheidungen zu fällen.
Gunnar:
[1:45:39] Ja, aber wir sind jetzt hier im Endspurt. Dem Management wird klar, 128 Kilobyte Arbeitsspeicher sind dann doch zu wenig, auch wegen der neuen grafischen Oberfläche. Meiner plädiert nach wie vor für 512 und einigt sich dann mit Commodore auf 256 Kilobyte und eine ebenso große optionale Erweiterung. Rückblickend ist Meiner nicht glücklich mit der Lösung, denn mit den ständig sinkenden Speicherpreisen wäre im Jahr 1985 dann mehr möglich gewesen. Aber da ist es zu spät, sagt er. Das ist eins seiner größten Ärgernisse in seiner gesamten Karriere gewesen, die kurzsichtigen Marketingleute.
Gunnar:
[1:46:16] Es ist immer dasselbe. Das Marketing ist schuld oder der Vertrieb. Und die Ingenieure nie. Andere Entscheidungen in der Spätphase der Entwicklung sind weniger strittig. Sie hatten ein 5,25 Zoll Laufwerk geplant, das kommt jetzt nicht mehr. Es wird ein moderneres 3,5 Zoll Modell, wie es auch der Macintosh und der ST hat. Das interne Modem wird wieder gestrichen, das wäre mit 300 Baut auch nicht mehr zeitgemäß gewesen. Und auch äußerlich nimmt der Amiga jetzt seine finale Form an. Der schwarze Metallkasten von Lorraine weicht einem seriösen Kunststoffgehäuse im zeitgenössischen Beige, wie man das damals machen musste, gestaltet und gefertigt in Japan bei Sanyo. Das ist nicht so futuristisch wie die schwungvollen Entwürfe, die der Miner gezeichnet hat. Es ist halt eher so ein klassischer monolithischer kantiger Quader, aber halt näher an der Serientauglichkeit und auch näher am Look and Feel von den IBM-Maschinen.
Gunnar:
[1:47:11] Und wer das Gehäuse öffnet, der entdeckt im Inneren des Kunststoffdeckels die eingravierten Namen des Entwicklerteams, genau wie das beim Apple Macintosh der Fall ist. Und neben den Unterschriften von Meiner, Nicholson, Michael und anderen ist auch ein Pfotenabdruck zu sehen, nämlich der von Mitchie, der Hündin von Meiner. Die genießt nämlich auch bei Commodore Amiga den Status einer offiziellen Mitarbeiterin. Man sieht, der Amiga mag sich oft gewandelt haben im Laufe der Jahre, aber manche Dinge nicht. Ändern sich nicht. Computer kommen und gehen, Hunde Pfoten bleiben bestehen.
Henner:
[1:47:46] Ah, schön.
Gunnar:
[1:47:48] Im Juli 1985, nach drei Jahren Entwicklung und ebenso vielen Konzeptänderungen, ist der Amiga nun endlich bereit für die Weltöffentlichkeit. Henner, für die Revolution.
Henner:
[1:48:00] Ah, endlich. Das war aber auch eine wilde Entstehung. Ich habe zwischendurch noch gedacht, das wird nichts, der Amiga kommt nie. Obwohl ich es besser wissen sollte, rückblickend. Ich habe ja schließlich Speedball 2 draufgespielt. Aber wie dieser Computer am Ende im Detail aussieht, wie er funktioniert, wie er eingeführt wird und vom Markt angenommen, ob die Menschen in ihm eine Büromaschine sehen oder doch eine Spielemaschine, wie der Amiga weiterentwickelt und weiter gedacht wird, wie er schrumpft und dabei über sich hinauswächst, das besprechen wir in der nächsten Folge.
Gunnar:
[1:48:32] Bis dahin sage ich vielen Dank, Henner, und vielen Dank euch fürs Zuhören. Wir hören uns.
Henner:
[1:48:37] Bis dahin.
Mit dieser Folge feiern wir den 40. Geburtstag des Amiga

- Commodores Heimcomputer wurde am 23.7.1985 im Lincoln Center in New York erstmals der Öffentlichkeit präsentiert.
Wow … das ist garantiert eine super interessante Folge bzw. Serie - thx.
Danke @Gunnar_Lott und @Henner_Thomsen!
Danke für eine neue Folge SFT an diesem ekelhaft verregneten Tag. Ich hatte kein Bock meine Laufsachen anzuziehen und jetzt rauszugehen…
Aber Dank SFT habe ich nicht nur die notwendige Motivation sondern auch die Stärke eines Bären, die Schnelligkeit eines Pumas, die Augen eines Falken und das Gehör eines Wolfs.
Ich höre SFT und ihr solltet es auch!
Wie geht’s Thirty-Thirty?
Der Rechner meines Lebens, auf gehts!